
Crash
Regie: David Cronenberg
Wer glaubte, daß man einen Film von David Cronenberg mittlerweile
unbeschadet überstehen kann, wird von der kühnen und
verstörenden Vision Crash eines besseren belehrt:
David Cronenberg kehrt mit der Verfilmung des Romans von J. G.
Ballard kraftvoll zu seinem alten Credo zurück, "das Unzeigbare
zu zeigen und das Unsagbare zu sagen."
Der kanadische Regisseur ist ein Autorenfilmer im klassischen
Sinne. Er schreibt seine Drehbücher überwiegend selbst
und entwirft höchst individuelle, unverwechselbare Bilder-Welten,
in denen er sich immer wieder kompromißlos seinen persönlichen
Obsessionen und Themen widmet. Die in CRASH beschworene Wechselwirkung
zwischen menschlicher Sexualität und moderner Technologie
hat David Cronenberg immer schon fasziniert.
Bereits in seinem ersten Spielfilm Die Parasiten-Mörder
sorgt ein künstlich geschaffener Parasit dafür, daß
die Bewohner eines Neubaukomplexes ihre sexuellen Hemmungen vollständig
fallen lassen. In Rabid wächst einer Frau nach
einem fehlgeschlagenen chirurgischen Eingriff ein aggressives
penisartiges Organ unter der Achsel, und in Videodrome
entwickelt ein Mann durch das Betrachten des halluzinogenen Fernsehprogrammes
eine vaginale Bauchöffnung. In Videodrome begegnen
wir auch der nach sado-masochistischen Grenzerfahrungen suchenden
Radiomoderatorin Nicky Brand. Eine Figur, die man auch im Kreise
der Unfall-Fetischisten aus Crash vermuten könnte,
David Cronenbergs bislang radikalster Betrachtung einer möglichen
Symbiose zwischen dem Mensch und den Errungenschaften der Wissenschaft.
David Cronenberg wurde am 15. März 1943 in Toronto geboren.
Ursprünglich wollte er als Schriftsteller in die Fußstapfen
seines Vaters treten, der als Journalist und Autor das Magazin
"True Canadian Crime Stories" herausgab. So schrieb David Cronenberg
zunächst einige Horror- und Science Fiction Geschichten
und begann Biologie und Biochemie an der Universität von
Toronto zu studieren.
Nachdem er den Epstein-Preis für eine
Kurzgeschichte gewonnen hatte, wechselte er jedoch zu den Fächern
Englisch und Literatur, in denen er auch 1967 seinen Abschluß
machte. Das Interesse für den Film wurde durch einige Experimental-Werke
seiner Kommilitonen geweckt. Noch während seiner Studienzeit
drehte David Cronenberg die beiden 16mm-Filme Transfer
und From the Drain und Ende der sechziger Jahre
folgten die 35mm-Filme Stereo und Crimes of the
Future. In allen vier Kurzfilmen tauchten bereits die thematischen
Vorlieben seiner späteren Arbeiten auf.
Zu einem der erfolgreichsten Regisseure Kanadas stieg David Cronenberg
1976 mit seinen ersten beiden abendfüllenden Spielfilmen
auf. Die LowBudget-Produktionen Die Parasitenmörder
und Rabid mit Porno Star Marylin Chambers wurde David
Cronenberg als umstrittener Erfinder des sogenannten "Organischen
Horrors" bekannt. Im Anschluß ließ er seiner Leidenschaft
für Autorennen und Motoren freien Lauf: Fast Company
ist mit einer im Rennfahrermilieu angesiedelten Geschichte der
untypischste aller Cronenberg-Filme.
Die Brut mit Oliver Reed und Samantha Eggar festigte
1979 David Cronenbergs Reputation als innovativen Filmemacher.
Er selbst nannte diesen psychologischen Horror-Thriller um einen
Scheidungskrieg seine persönliche Version von Kramer
gegen Kramer. Mit dem folgendem Film Scanners,
seiner bis dahin teuersten Produktion, erreichte David Cronenberg
erstmals ein breiteres Publikum, der Thriller kletterte auf den
ersten Platz der amerikanischen Kinocharts. Die inzwischen berühmten
Bilder des platzenden Kopfes und des finalen telekinetischen
Duells zweier Scanner ließen die Diskussion um die Gewalt
auf der Leinwand einmal mehr aufleben.
In dem 1982 gedrehten Film Videodrome entwarf David
Cronenberg eine beklemmende Vision über den Mensch in der
Medienlandschaft. Realität und Fernsehwirklichkeit sind
nicht mehr unterscheidbar, Bildschirme beginnen zu atmen, Videocassetten
bestehen aus pulsierendem Fleisch; buchstäblich mutiert
der Mensch zum programmierbaren Recorder.
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