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Tief wie der Ozean
Produktionsnotizen
Lange bevor Jacquelyn Mitchards Roman "Tief wie der
Ozean" (Originaltitel: "The Deep End Of The
Ocean") die Bestsellerlisten anführte, landete
das Buch auf dem Schreibtisch von Produzentin Kate Guinzburg.
"Es war eines von den Büchern, die man nicht wieder
aus der Hand legen kann", erinnert sich Guinzburg. "Ich
mußte es einfach in einem Rutsch durchlesen."
Guinzburg, für den eine Literaturvorlage schon immer die
beste Voraussetzung für einen Film war, sah vor allem in
der Romanfigur der Beth Cappadora einen bestechenden Filmcharakter.
Gleich am nächsten Morgen rief sie Michelle Pfeiffer an
und legte ihr die Lektüre wärmstens ans Herz.
"Ich habe ihr das Ende erzählt, damit sie das Buch
auch wirklich liest", sagt Guinzburg. "Denn ich kenne
Michelle: Sie als Mutter würde die Geschichte sonst nicht
durchstehen. Ein paar Tage später rief sie dann zurück
und sagte, ,Ich komme von dem Buch nicht mehr los!' - und das
war unser Einstieg in das Projekt."
"Kate weiß, daß ich es nicht ertrage, wenn
Kindern in Filmen etwas Schlimmes zustößt", sagt
Michelle Pfeiffer. "Sie hat mir das Buch deshalb mit den
Worten geschickt, 'Bevor Du damit anfängst, sollst Du wissen,
daß Ben wieder zurückkommt.' Aber selbst mit diesem
Wissen gab es immer noch Stellen, wo es mir buchstäblich
den Atem verschlug. Ich glaube, es gibt niemanden, der Kinder
hat und den dieser Roman nicht zutiefst bewegen würde."
Die emotionalen Wandlungen, die Beth in Tief Wie der Ozean
durchläuft - Schuldgefühle, Wut, Akzeptanz, Resignation
und schließlich neue Hoffnung - eröffneten Pfeiffer
einzigartige schauspielerische Möglichkeiten. "Es ist
eine tolle Rolle, und für mich als Schauspielerin eine große
Herausforderungen, sagt sie. "Beth wächst an ihrem
Schicksal und wird schließlich zu einem wirklich selbstlosen
Menschen. Sie ähnelt vielen Frauen, die ich kenne. Sie hat
ihre Schwächen und ist beileibe nicht perfekt. Trotzdem
sie versucht, die beste Mutter zu sein.
Viele Frauen aus meinem Bekanntenkreis sind wie sie: Sie versuchen
einfach, über den Tag zu kommen, sich von einem Moment zum
nächsten zu hangeln, im Bemühen, alles irgendwie richtig
zu machen. Mir gefällt Beth's ganz gewöhnliches Heldentum.
Während der Geschichte macht sie vieles unabsichtlich falsch,
aber immer nur aus der unendlichen Liebe für ihren Jungen
heraus."
Guinzburg teilt Pfeiffers Einschätzung: "Wie Beth
sich verändert, ist schon außergewöhnlich",
sagt sie. "Hier geht es nicht um eine makellose Frau. Hier
geht es um jemanden, der menschliche Fehler hat, der manchmal
auch nur an sich selbst denkt. Aber es geht auch um eine Frau,
die Entscheidungen trifft, mit denen sie ihre Familie im Kern
zusammenhält."
Für Pfeiffer berührte der Film auch etliche Themen,
die sie persönlich beschäftigten. "Es werden eine
Menge Fragen aufgeworfen darüber, was eine Familie über
die genetischen Bande hinaus definiert," sagt sie. "Für
mich als Mutter eines Adoptivkindes sind das sehr persönliche,
philosophische Fragen."
Die Produzenten bei Mandalay waren von dem Stoff nicht weniger
begeistert als Pfeiffer und Guinzburg. Peter Guber sicherte also
die Rechte, noch bevor das Buch in die Läden kam. Guber
seinerseits war wiederum so fasziniert von der Biographie der
Autorin Jacquelyn Mitchard, daß er anschließend gleich
die Rechte auf ihre Lebensgeschichte mitkaufte - was eine ganz
andere, nicht weniger dramatische Story ist...
"... als wolle man eine Anakonda in eine Papiertüte
packen": Das Drehbuch
Wie Kate Guinzburg berichtet, war es "von Anfang an eine
ganze Gruppe von Leuten, die von dem Stoff absolut überwältigt
waren". Neben unzähligen Anrufen von Schauspielern,
die eine Rolle übernehmen wollten, war auch Frank Capra
III, ausführender Produzent, einer davon. "Ich bin",
sagt er, "in den 30er und 40er Jahren mit vielen solch wundervollen
Geschichten über Menschen und ihre Schicksale aufgewachsen
- Tief Wie Der Ozean ist genau solch eine Story."
Es war schließlich Ulu Grosbard, dem die Leinwandadaption
zur Regie angeboten wurde - und der Stoff entsprach dem Filmemacher,
der dafür bekannt ist, eine Menge Drehbücher abzulehnen,
von ganzem Herzen. "Ich habe mich sofort in das Buch verliebt",
sagt er. "Es hat mich tief bewegt - diese Geschichte eines
Paares, das es schafft, den Verlust eines Kindes zu bewältigen.
Und die Ironie des Schicksals, daß das Kind dann neun Jahre
später wieder auftaucht. Sie bekommen das Gefühl, ein
Wunder sei geschehen, ehe sie merken, daß in Wirklichkeit
nur eine Reihe neuer Probleme aufgetaucht ist."
Grosbard erläutert: "Ein weiteres Element der Geschichte
ist außerdem sehr spannend: Die Frage der Identität.
Was macht die Beziehung zu den Eltern wirklich aus? Und umgekehrt?
Die Story trägt eine tiefe Wahrheit in sich, die ich unbedingt
verfilmen wollte."
Guinzburg erinnert sich: "Als wir uns das erste Mal mit
ihm trafen, hatte er seitenweise Notizen über die Figuren
und das Drehbuch dabei. Ich hatte noch nie ein Meeting mit einem
Regisseur, der so umfassend vorbereitet war wie Ulu. Zumal er
ja mit seinen charakterorientierten Filmen bekannt geworden ist.
Er paßte perfekt zu dem Projekt."
Auch Michelle Pfeiffer fiel ein Stein vom Herzen, als der Regisseur
zusagte: "Ulu versteht wirklich etwas von menschlichen Verhaltensweisen.
Die Stärke des Films besteht in der Wahrhaftigkeit der Figuren
und ihrer Beziehung zueinander, und gerade dafür ist er
ja bekannt. Er konnte unsere Leidenschaft für den Stoff
absolut teilen." Was Grosbard mit großem psychologischen
Einfühlungsvermögen gelang, ohne sich in kitschigem
Gefühlskino zu verlieren.
Noch jemand, der perfekt zu dem Projekt paßte, war Stephen
Schiff, Autor des "New Yorker", der sich daran wagte,
aus dem 425-Seiten-Roman ein 125-Seiten-Drehbuch herauszuarbeiten.
"Das ist", wie es Produzent Steve Nicolaides ausdrückt,
"als wolle man eine Anakonda in eine Papiertüte packen
- es braucht Zeit und Mühe." Nichtsdestotrotz hatte
Schiff, der zuvor bereits Lolita und zuletzt Clint Eastwoods
True Crime geschrieben hatte, das "sichere Gefühl,
das Drehbuch bewältigen zu können. Es gab vom ersten
Augenblick an eine magische Anziehungskraft zwischen mir und
dem Stoff."
Jeden Morgen eine Anti-Kitsch-Pille: Die Dreharbeiten
"Wir wollten ein großes, altmodisches Drama machen",
sagt Nicolaides. "Trotzdem haben alle jeden Morgen eine
Anti-Kitsch-Pille verabreicht bekommen, denn das Material kann
durchaus in Versuchung führen, die Gefühle völlig
zu überdrehen - was der Stärke des Buches und des Films
nicht gerecht geworden wäre."
Schauspieler und Team standen in ihrer pragmatischen Herangehensweise
an den Stoff geschlossen hinter Grosbard. "Ulu hat einen
absolut unsentimentalen Blick auf die Dinge, erläutert Guinzburg.
"All seine Filme zeigen das wahre Leben, nicht den großen
Gefühlsschmalz. Wir beharrten alle darauf, die Geschichte
in ihrer Wahrhaftigkeit auf die Leinwand zu bringen und nicht
das Publikum dahingehend zu manipulieren, daß es sich in
Tränen auflöst."
Die Stimmung beim Dreh war überwältigend ruhig, ganz
dem entspannten Arbeitsstil Grosbards entsprechend. "Es
war eine so schöne Atmosphäre - Gottseidank, denn andernfalls
hättest du diesen Film nicht gepackt", sagt Pfeiffer,
die es allein dem Regisseur zuschreibt, daß die Schauspieler
nie die Fassung verloren haben.
"Mit Ulu zu arbeiten war traumhaft. Er war unglaublich
hilfsbereit und inspirierend, und man merkt, daß er seine
Schauspieler wirklich liebt." Treat Williams stimmt ihr
zu: "Das Set hat seine ungeheure Ruhe reflektiert. Ulu ist
still und methodisch, und er verliert nie den Kopf."
Grosbard hatte auch allen Grund dazu, entspannt zu sein, denn
vom ersten Tag der Dreharbeiten an konnte er eine natürliche
Chemie zwischen seinen Darstellern entstehen sehen. "So
etwas kannst du nicht herbeizwingen", sagt er. "Es
passiert oder es passiert nicht, und hier war es vom ersten Tag
an da. Es war wie ein unsichtbares Band, das geknüpft wurde."
Das Auge des Perfektionisten: Die Suche nach dem wirklichen
Leben
Auch wenn ein Großteil der Geschichte problemlos in Los
Angeles gedreht werden konnte, so waren doch einige Außenaufnahmen
im Mittelwesten erforderlich. "Wir hatten mit Stephen Goldblatt
einen außerordentlich guten Kameramann", sagt Guinzburg.
"Obwohl er ja zuvor an sehr großen, hochstilisierten
Projekten wie den Batman-Filmen gearbeitet hat, las er das Drehbuch
und fand es super. Und auch er war schließlich einer von
denen, die von sich aus unbedingt an diesem Film mitarbeiten
wollten. Stephen hat der Geschichte einen tollen visuellen Stil
verliehen."
Da die eigentliche Geschichte einen Zeitraum von neun Jahren
- von 1988 bis 1997 - überspannt, mußten die Filmemacher
kleine, aber feine Unterschiede in Mode, Makeup und Frisuren
herausarbeiten, die die wechselnden Trends über die Jahre
widerspiegeln. "Am Anfang des Films denkt man zunächst,
es ist heute, sagt Guinzburg. "Aber dann schaut man genauer
hin und merkt, daß es 1988 ist und die Leute doch ganz
andere Klamotten anhaben: Schulterpolster, Reebok-Turnschuhe
und schwarze Jeans. Dann schaut man nochmal hin und merkt, es
ist im Grunde ein 'Kostümfilm'. Ich glaube, unsere Kostümabteilung
hat eine Menge Spaß bei der Ausstattung gehabt."
Grosbard selbst ist bekannt für seine Detailversessenheit
beim Dreh. "Ulu ist so präzise in seinen Wünschen,"
sagt Guinzburg, "Er bleibt auf dem Set und verschiebt jedes
einzelne Accessoire, bis es exakt seinen Vorstellungen entspricht.
Er hat das Auge eines Perfektionisten." Jonathan Jackson
drückt es so aus: "Ulu geht es darum, das wirkliche
Leben entstehen zu lassen - nicht nur einfach Schauspieler bei
der Arbeit zu filmen."
Grosbards Ideenreichtum auch bei den kleinen Dingen einer Szene
verschaffte ihm nicht nur den Respekt seiner Schauspieler, sondern
machte auch zahllose Szenen erst lebendig. "Ulu hat die
Gabe, aus dem Gewöhnlichen etwas Wundervolles werden zu
lassen", sagt Treat Williams, der seinen Regisseur auch
als leidenschaftlichen "Actor's Director" preist, der
um den Wert der stillen Passagen eines Films weiß.
"Er scheut nicht davor zurück, uns eine Szene wirklich
spielen zu lassen - statt uns nur die Worte in den Mund zu legen,
von denen das Publikum weiß, daß sie ohnehin kommen
werden. Es ist nicht nötig, daß die Menschen in einem
Film ständig sagen, was sie fühlen. Man muß es
selbst nachempfinden können."
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