|
|
Unterstützen Sie Kinoweb. Klicken Sie unseren Sponsor.
Velvet Goldmine
Sexuelle Identitäten
Todd Haynes: "Ich erzähle viele Liebesgeschichten
auf einmal, nicht nur die zwischen den Figuren, sondern auch
zwischen London und New York." Es fällt nicht schwer,
Parallelen zwischen Slade und Wild und realen Rockstars zu ziehen,
aber VELVET GOLDMINE versteht sich nicht als Biopic.
Christine Vachon sagt: "Es ist kein Geheimnis, daß
es damals einige ausgesprochen bunte Figuren gab, die einen sehr
bunten Lebenswandel führten. Sicherlich bedienen wir uns
ihrer Biographien, aber wir haben uns doch viele künstlerische
Freiheiten genommen."
"Gewisse Künstler in den USA inspirierten viele Künstler
in Großbritannien zu dem, was als Glam in die Geschichte
einging. Bowie wurde von Velvet Underground und den Stooges beeinflußt.
Man liegt gewiß nicht falsch, wenn man VELVET
GOLDMINE als Hommage an Bowie und Roxy Music betrachtet,
aber ich habe mir die Essenz von Glam Rock sehr zu Herzen genommen.
Und da geht es nicht darum, die Wahrheit zu sagen, sondern sie
so gut wie möglich zu verbergen", erläutert Todd
Haynes. Der Film betrachtet sexuelle Identitäten, Performance
und Nostalgie. "Es liegt in der Natur von Glam, sehr melodramatisch
und voller Nostalgie zu sein", sagt Haynes. "Das Hollywood
der 30er Jahre und die futuristische Space Age waren zwei Elemente,
die in der Musik, der Kleidung und den Designs zusammengeführt
wurden. Ich habe versucht, die Vergangenheit in meinem Film zu
begraben und das Gefühl zu erwecken, daß da etwas
sehr Gefährliches und Aufregendes eingeschlossen wurde.
Arthur gräbt sowohl in seiner als auch Brians Vergangenheit,
und von Anfang an erzeuge ich diese Atmosphäre aus Verlust
und Verlangen. Ich mache das, weil ich diese Ära so sehe,
aber auch, weil man diese Traurigkeit auch in der Musik hören
kann.
Man könnte sagen, daß Glam Rock bewußt Selbstmord
begangen hat. Es gab einige zeremonielle Abschiede von der Ära,
ein 'Death of Glitter'-Konzert und natürlich Bowies öffentlicher
Mord an seinem Alter ego Ziggy Stardust."
Und Christine Vachon führt aus: "Das war ein kurzer
Moment der Geschichte, in dem das Spiel mit sexuellen Identitäten
nicht nur geduldet, sondern sogar unterstützt wurde. Selbst
Bands wie die Kinks und die Stones trugen auf einmal Mascara
und schlangen sich Federboas um den Hals. Leider dauerte diese
Periode nicht sehr lange an. Es ist sehr interessant zu beobachten,
wie Rock und Popkultur sich plötzlich öffneten, nur
um danach in die andere Richtung zu schlagen und ungeheuer konservativ,
beinahe reaktionär zu werden. Aber für diese ganz kurze
Zeit drehte sich alles um Originalität und das Erschaffen
neuer Charaktere, anderer Identitäten."
"Ich liebe es, wie alle tradierten Vorstellungen von Geschlechtern
und Sexualität mit einem Mal eingerissen wurden. Eine Zeit
lang waren alle Grenzen verwischt, und dieses Homo/Hetero/Bi-Denken
wurde in Frage gestellt. Es war überflüssig sich zu
fragen, bist du oder bist du nicht, weil jeder all das war, was
er gerade sein wollte. Das war fast die Voraussetzung, ein tagtägliches
Theaterstück, in dem jeder jede Rolle spielen konnte",
sagt Michael Stipe.
Haynes fügt hinzu: "Ich wollte diesen Zeitabschnitt
unter die Lupe nehmen, weil ich die 70er als einzigartige Ära
erachte. Nicht weil sie kitschig war, sondern wegen einer radikalen
Geisteshaltung, die seither wie weggewischt erscheint. Das Verkleiden
und Performen ist in direktem Zusammenhang mit Sexualität
und Identität zu sehen. Es war eine progressive Zeit, aber
gleichzeitig war auch alles so spielerisch, ohne das politische
Dogma der 60er. Die Musik war intelligent, humorvoll und letztlich
auch sehr bewegend. Selten zuvor oder danach hat sich die Popkultur
selbst so gefeiert und damit auch all die Fragen über Identität
und Darstellung auf radikale, bejahende Weise beantwortet."
|