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Hilfe! Ich bin ein Fisch


Produktionsnotizen

Szene [600] [1110] Hilfe! Ich bin ein Fisch ist der dritte große Animationsfilm, den Eberhard Junkersdorf mit seinem Studio Munich Animation produzierte - und sein bislang aufwendigster. Mit ca. 280.000 Reinzeichnungen, die in verschiedenen Studios entstanden und einer Mischung aus 2-D- und 3-D-Animation ist der Film außerdem der bis heute teuerste europäische Zeichentrickfilm. Er erhielt 2000 den 'Children's Jury Award' des Chicago International Children's Film Festivals.

Ein Gespräch mit Eberhard Junkersdorf

Hilfe! Ich bin ein Fisch ist eine europäische Koproduktion. Waren Sie von Anfang an im Boot?

Szene [600] [1110] Es ist eine deutsch-dänisch-irische Koproduktion der drei Studios Munich Animation, A-Film/Egmont Imagination Kopenhagen und TerraGlyph Dublin. Die Idee zu diesem Film stammt von Stefan Fjeldmark und Karsten Kiillerich, die auch das Drehbuch geschrieben haben. Die ersten Fassungen waren noch viel zu lang, und in gemeinsamen Gesprächen und in Zusammenarbeit mit einer amerikanischen Dialogbearbeiterin ist dann die endgültige Fassung entstanden. Man kann also sagen, dass wir von Anfang an im Boot waren.

Wie war die Aufgabenverteilung bei der Produktion?

Szene [600] [1110] Die Aufgabenverteilung bei Animationsfilmen ist eine sehr diffizile Geschichte. Man versucht deshalb, von Anfang an durch sogenannte Work-Split-Agreements, unter Berücksichtigung der Stärken und Schwächen der einzelnen beteiligten Studios, jedem Studio seinen eigenen Aufgabenbereich zuzuordnen.

Natürlich spielt dabei auch die finanzielle Beteiligung der jeweiligen Studios eine nicht unbedeutende Rolle. Hier hat Munich Animation den grössten Teil der Finanzierung aufgebracht, die Charaktere sind hauptsächlich von A-Film und unserem Studio entwickelt worden, die Postproduktion, d.h. Colouring und das Compositing (digitale Kamera) ist zu großen Teilen bei Munich Animation gemacht worden, Geräusche, Sound-Design und die Mischung bei den Bavaria-Studios in München.

Was unterscheidet eine Zeichentrick- von einer Spielfilmproduktion?

Szene [600] [1110] Sehr viel. Ein Animationsfilm entwickelt sich ganz anders als ein normaler Spielfilm. Die Basis und Voraussetzung ist natürlich auch hier das Drehbuch. Danach beginnt man mit der Entwicklung der Charaktere und der Hintergründe, erstellt ein Storyboard, das in den Computer gescannt wird um festzustellen, auf welche Länge der Film kommt.

Danach nimmt man mit einigen wenigen Schauspielern, die allen Figuren ihre vorläufigen Stimmen verleihen, die Dialoge auf, um Tempo, Rhythmus und endgültige Länge des Films beurteilen zu können. Wenn das erledigt ist, werden die endgültigen Stimmen aufgenommen, die dann gegen die vorläufigen ausgetauscht werden. Daran schließen sich Besprechungen mit dem Komponisten und den Songwritern an, um die Musikrichtung festzulegen.

Die Zeit, in der man die Geschichte des Films erzählen will, also die einmal festgelegte Länge des Films, muss man beim Animationsfilm unbedingt einhalten. Jede Sekunde, die man mehr produziert, kostet ein kleines Vermögen. Hier liegt der größte Unterschied zwischen dem Animationsfilm und dem Realfilm.

Kann man beim Realfilm schnell mal eine weniger gut gelungene Szene nachdrehen, würde das beim Animationsfilm mehrere Wochen Arbeit für das ganze Team bedeuten. Das heißt wiederum, dass man im Schnitt nicht die Möglichkeiten hat, wie beim Realfilm. Beim Animationsfilm sind Umstellungen von Sequenzen und Kürzungen machbar, Verlängerungen muss man sich meistens verkneifen.

Es scheint doch sehr schwierig, so ein komplexes Projekt zu koordinieren, auch noch zwischen verschiedenen Ländern. Wie funktioniert so etwas?

Szene [600] [1110] In der Tat ist das äußerst schwierig, und ich bin immer wieder selbst überrascht, dass die geplante Logistik meist auch in der Praxis funktioniert. Wenn man sich vorstellt, dass für einen Film von 75 Minuten insgesamt etwa 380.000 Blatt Papier "verzeichnet" werden, und das in verschiedenen Studios in Europa und Asien - das heißt auch, dass viele Zeichnungen zwischen den Studios hin und hergeschickt werden - ist es wirklich erstaunlich, dass hier letztendlich so gut wie nichts verloren ging. Die Herstellung eines Animationsfilms lebt auch davon, dass man sich häufigen Kontrollen unterwirft und versucht, eine gute und regelmäßige Kommunikation zustande zu bringen.

Die künstlerische Koordination ist dagegen nicht ganz so schwierig. Jedem Studio liegen die Figuren mit allen Bewegungsabläufen vor und in jedem Studio gibt es Supervisors, die genau darauf achten, dass die Animatoren sich auch an die Vorgaben halten und dass die Figuren im fertigen Film so aussehen, als wären sie aus einem Guss. Man nennt das "on model"-zeichnen. Innerhalb des gesamten Herstellungsprozesses gibt es außerdem eine Vielzahl von "Kontrollstationen" und nur dadurch funktioniert die Koordination.

Das klingt sehr kostenintensiv...

Animation ist an sich sehr kostenintensiv, vor allem, wenn man einen Film machen will, der am internationalen Markt konkurrenzfähig ist, auch mit dem Angebot aus Amerika. Man weiß ja in etwa, was diese US-Produktionen kosten. Wenn ich richtig informiert bin, ist in Amerika kein Film - weder von Disney noch von Warner oder von Dreamworks - hergestellt worden, der unter 90 Mio. Dollar kostet.

Da sind wir weitaus günstiger, denn wir haben auch nicht diesen riesigen Apparat zu finanzieren. Dieses Wissen, anders produzieren zu müssen, führt dazu, dass man auch kostengünstiger und schneller arbeiten muss. Dennoch ist dieser Film der teuerste europäische Animationsfilm bislang...

In Ihrem Studio arbeiten auch einige Mitarbeiter aus Amerika. Haben Sie sich Ihr Knowhow von der US-Animationsfront geholt?

Klar, dass man sich die Top-Leute dort holt, wo sie schon gearbeitet haben. Wenn Sie Computerfachleute brauchen, verstehen Sie plötzlich auch das Gerede über Greencards... Die Spitzenleute, die man braucht, muss man sich von woanders holen, wenn es sie im eigenen Land nicht gibt.

Ich bedauere sehr, dass in Deutschland im Bereich der Animation keine Ausbildung stattfindet. Für einen Film wie den unseren heißt das dann in unseren Studios nicht wie bei Polt, "man spricht deutsch", sondern man spricht englisch. Das Team, eine multikulturelle Truppe, bestand aus: Italienern, Franzosen, Spaniern, Jugoslaven, Tschechen, Russen, Fachkräfte aus dem asiatischen Bereich - und eben auch einigen Amerikanern.

Mit über 50 Spielfilmen haben Sie eine große Erfahrung als Spielfilmproduzent. Unterscheidet sich dazu die Rolle des Produzenten beim Animationsfilm?

Es gibt da schon große Unterschiede. Spontane Ideen beispielsweise, die man beim Spielfilm haben und auch umsetzen kann - diese Chance haben Sie bei der Animation nicht. Da muss man langfristig vordenken und sich festlegen. Nur Kleinigkeiten können dann noch geändert werden, wenn zum Beispiel die Animationen oder die Anschlüsse nicht gelungen sind bzw. nicht stimmen, kann man diese schon noch verändern und verbessern.

Die Länge der Herstellungszeit von mehr als zwei Jahren ist auch ein sehr großer Unterschied. Man muss versuchen, über diese lange Zeit im Studio ein gutes Klima zu schaffen und die Mitarbeiter zu motivieren, eine nicht immer ganz einfache Aufgabe. Besonders Animatoren, die "Schauspieler" des Animationsfilms, die den Figuren das Leben einhauchen, sind sensible Individualisten, die ganz speziell zu behandeln sind.

Außerdem kann man am Anfang noch gar nicht wirklich beurteilen, wie das Produkt aussehen wird. Das ist aber auch interessant an diesem Prozess: Ein dreiviertel Jahr lang erkennt man kaum Fortschritte, dann verdichtet sich alles, je weiter man mit der Animation kommt, und irgendwann fangen die Bilder an zu laufen!

Bei der Animation wird man irgendwann vom Entstehungsprozess überrollt und kann ihn nicht zurückdrehen. Beim Spielfilm kann man Zwischenschnitte machen, ganze Sequenzen eliminieren etc. Was aber für beide Gattungen zutrifft: die Geschichte ist enorm wichtig. Auch bei Hilfe! Ich bin ein Fisch war es eine lange Entwicklung, bis wir gesagt haben: "Jetzt stimmt die Geschichte, die wollen wir verfilmen". Sie fängt dort an, sie hat ihre Höhepunkte, ihre Spannungsbögen, den Teil, wo man um die Protagonisten fürchten muss, und am Ende wird das Abenteuer dann gut überstanden.

Wie bestimmt man das Tempo des Films?

Diese Frage ist ganz entscheidend. Man versucht so schnell wie möglich, erste Animationen zu sehen, um das Tempo bestimmen zu können. Man muss erkennen, ob man den richtigen Speed hat, und wo die Geschichte, der Erzählfluss durchhängt. Man unterlegt die Bilder sehr früh mit Musik aus der Library, die dem Sound ähnelt, den man sich vorstellt. Das ist dann auch ein Hinweis für den Komponisten, den dieser später aufgreift. Das Tempo wird also diktiert durch die Sprache, den Schnitt und die Musik.

Die Charaktere im Film sind ja nicht alle lieb und nett. Es gibt auch den richtigen Bösewicht. Fürchten sich da Kinder nicht?

Nein, das glaube ich überhaupt nicht. Diejenigen die sich fürchten, sind die Eltern, die glauben, ihre Kinder könnten Angst haben. Bei Testvorführungen haben wir das immer wieder erfahren. Kinder im Kino dürfen sich auch erschrecken, wenn die Spannung steigt - das beste Beispiel dafür ist Der König der Löwen - und das müssen sie auch, denn Sechs- oder Siebenjährige sind nicht gewohnt, sich so lange zu konzentrieren.

Und: Schauen Sie die deutschen Märchen an, es gibt keins, das nicht eine gewisse Grausamkeit beinhaltet. Die Spannung entsteht, wird wieder abgebaut, und am Ende sind alle froh, wenn die Guten die Bösen besiegt haben. So ist es bei allen Märchen, und auch bei Hilfe! Ich bin ein Fisch ist es nicht anders.

Gibt es eigentlich auch einen erzieherischen Aspekt?

Die Hintergrundgeschichte hat schon etwas Erzieherisches: Tue nichts, was du nicht machen sollst... die Kinder hören ja nicht auf das, was die Eltern sagen und werden dadurch in eine Geschichte hineingezogen, deren Umfang sie sich mit Sicherheit nicht vorgestellt haben. Das wird aber nicht überbetont.

Letztendlich ist es für die Kinder das ganz große Abenteuer. Das faszinierende an dem Film ist, dass man sich einen Traum erfüllen kann. Man trinkt ein Mittel und kann in eine ganz andere Welt entschwinden, unter Wasser sein.

Viele Menschen träumen vom Tauchen, und wir haben die Möglichkeit, die ganze Unterwasserwelt kennenzulernen. Auch der böse Joe, der seine Kraft ausnutzt, erfüllt sich einen Traum, nämlich diese Unterwasserwelt zu regieren. Aber er sieht ein, dass Macht Grenzen hat. Seine Machtgier bezahlt er damit, dass er sein Leben lassen muss.

Gerade mit dem Fisch Joe, der als Demagoge aufgebaut ist - haben Sie da auch ein erwachsenes Publikum im Blick?

Diese Episoden sind martialisch inszeniert, es entfalten sich digitale Kräfte wie bei Star Wars... Es ist als Hinweis zu sehen, wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann. Insofern ist Hilfe! Ich bin ein Fisch auch eine Parabel über Macht und Machtmissbrauch. Der eine versucht, dem anderen die Macht zu entreißen, sagt, jetzt bin ich an der Macht, die Rollen drehen sich um - das ist ja durchaus aktuell...

Es gibt einige schöne Original-Songs im Film - wie wichtig ist die Musik?

Musik spielt in der Animation eine unglaublich wichtige Rolle, weil man durch sie viel mehr Akzente setzen, Nuancen betonen, Stimmungen vermitteln und Gefahr verkünden muss als beim Spielfilm.

Der junge dänische Komponist Sören Hyldgaard hat den Score geschaffen. Die Hauptrollen, Joe und der Professor werden von Thomas Fritsch und Dieter Landuris gesprochen und gesungen, weitere Songs steuern Lou Bega und Patricia Kaas bei. Es gibt einen attraktiven Soundtrack, der bei BMG erscheint, auch eine Single-Auskopplung wird auf den Markt kommen.

Die Farbgebung ist gedämpft, der Unterwasserwelt angepasst.

Ja, wir haben eher gebrochene Farben verwendet und das Licht sehr gezielt eingesetzt, um die Atmosphäre von Unterwasserfilmen zu schaffen. Das Farbkonzept des Films war von Anfang an so angelegt.

Sie arbeiteten mit einer Mischung aus Computer-Animation und Handzeichnungen...

Alle Charaktere sind handgezeichnet, also 2-D-Animation. Da sitzen sehr viele Leute und zeichnen ihre Bleistifte ab. Aber natürlich gibt es auch 3-D-Computer-Elemente. Die müssen sich integrieren, dürfen keinen stilistischen Bruch gegenüber den 2-D-Bildern haben, das ist die Schwierigkeit. Die Szenen, in denen Joe singt und redet, sind z.B. eine Kombination von 2-D und 3-D.

Ist das eine Spezialität Ihres Studios Munich Animation?

Ja, dieses Verfahren haben wir zuerst bei Die furchtlosen Vier verwendet und waren damit die ersten in Europa.

Gab es Unterschiede in der Arbeit zu Ihren anderen Filmen wie Tobias Totz und sein Löwe?

Man kann die Filme nicht miteinander vergleichen. Hier haben wir uns auf die sehr hohe Qualität der Animation konzentriert, verbunden mit 3-D-Elementen.

Ein Ziel, das man sicher bei jedem Film verfolgt, ist: Man will eine Sequenz haben, die das Highlight des Films ist. Das ist in unserem Fall die Episode, wenn Joe sich vorstellt und erzählt, wie er die Welt verändern will, von Intelligenz redet und die Unterwasserwelt für sich gewinnt. Andere Szenen, etwa mit Stella und dem Seepferdchen, zeigen dann wieder Freundlichkeit, Heiterkeit und Leichtigkeit, und das balanciert sich aus mit der Spannung, die dadurch wieder abgebaut wird.

Gibt es in Deutschland einen Markt für Animationsfilme?

Ohne Zweifel. Deutschland ist der zweitgrößte Filmmarkt der Welt, wovon natürlich viele profitieren wollen. Aber: Wir in Deutschland müssen sehr viel tun für einen Zeichentrickfilm, wir haben noch nicht die Trademark wie die Amerikaner. Denoch erwartet man von uns, dass die Filme qualitativ genauso gut sind. Mit Hilfe! Ich bin ein Fisch ist das wohl auch gelungen. Bisher ist er erst in Dänemark im Kino zu sehen gewesen. Er war dort ein riesiger Erfolg und vier Wochen auf Nummer 1 in der Hitliste, vor Filmen wie Chicken Run oder Hollow Man.

Was ist Ihr nächstes Projekt?

Mein neuer Film Till Eulenspiegel ist wieder eine europäische Koproduktion, mit Kinowelt als Verleih. Es gibt bereits einige Drehbuchfassungen, die der Autor von König der Löwen schreibt. Auch bei dieser Produktion werden wir wieder viele internationale Talente vereinen, und wie bei Die furchtlosen Vier werde ich die Regie übernehmen.

Sie bleiben also dem Genre treu...

Ich habe das Studio Munich Animation aufgebaut und selbst sehr intensiv etwas dafür getan. Wir haben hochqualifizierte Mitarbeiter, und mit den entsprechenden Stoffen werden wir natürlich weitermachen. Aber auch die Spielfilmproduktion mit Bioskop Film läuft weiter.




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