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Sade


Drehbuchautor Jacques Fieschi über Sade

Ich reagierte erst ein wenig verschüchtert, als Patrick Godeau mir anbot, das Drehbuch zu dem Film zu schreiben. Allein der Gedanke an Sade lähmte mich: Sade zum Sprechen zu bringen, Sades Worte zu verwenden, das schien mir ungeheuerlich.

Szene Wenn man Sades Romane liest, kann man von dem, was da geschrieben steht, geradezu "krank werden", wie Georges Bataille einmal meinte. Er ist ein großer Schriftsteller; sein Werk, gewaltig und radikal, bisweilen auch etwas monoton, ist im Grunde bis heute ohne Nachfolge geblieben.

Ich habe erst die Sade-Biographien von Jean-Jacques Pauvert und Maurice Levert gelesen. Dann habe ich mich auf Sades Briefe gestürzt, in denen sein ganzer Humor, sein Hang zum Spielerischen und seine Spottlust aufscheinen. Einige der Briefe, die er seiner Frau schrieb, sind wahre Feuerwerke an lustigen Bemerkungen. Ich glaube, daß Sade ein Typ war, der die Menschen erst einmal zum Lachen brachte, bevor er sie das Fürchten lehrte und sie in Panik davonliefen. Diese Gabe besaß er ganz bestimmt.

Während ich sonst noch weitgehend im Dunkeln tappte, half mir diese Erkenntnis dabei, die Grundzüge der Figur zu konstruieren. Eine gewisse Nähe war entstanden, ich hatte mich mit Sade vertraut gemacht. Seine Briefe haben mir dabei geholfen, von jener Schreckensgestalt Abstand zu nehmen, zu der er vor allem von den Surrealisten verklärt worden war.

Szene Andererseits wäre es ein absurdes Unterfangen, Sade gänzlich von jeder Schuld reinwaschen zu wollen. Er war definitiv ein Sexualverbrecher, saß wegen zahlreicher Exzesse im Gefängnis ein und war in höchst gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt. Er selbst schrieb: "Ich habe all das getan, was man damit (mit dem Begriff Libertinage) zu verbinden geneigt wäre. Jedoch bin ich kein Krimineller, und schon gar kein Mörder." Man kann ihm das abnehmen oder auch nicht.

Natürlich kam auch er nicht aus dem Nirgendwo: Historisch betrachtet, ist er ein Kind des großen Jahrhunderts der Libertinage und des ausschweifenden Lebenswandels. Zahlreiche Grandseigneurs haben in jener Zeit im Vertrauen darauf, daß sie aufgrund ihres Ranges vor Strafe geschützt seien, ein ähnliches Schicksal erlitten.

Plakat Das frappierende an Sade ist jedoch seine absolute Unbelehrbarkeit: Seine eigenen Briefe sind die besten Beweismittel gegen ihn selbst, keine seiner Verlautbarungen war dazu angetan, daß er sich vielleicht Hoffnung auf eine vorzeitige Haftentlassung hätte machen können.

Mich interessierte an Sade besonders das Phänomen, daß er immer bis an die äußersten Grenzen ging, wenn er von seiner Freiheit Gebrauch machte - gerade auch dann, wenn die Gesellschaft ihn seiner Freiheit berauben wollte. Wie sollte man von Sades Unbeugsamkeit nicht fasziniert sein? Vielleicht hat er es auch deshalb in Kauf genommen, so lange Zeit im Gefängnis zuzubringen, weil die Erfahrung der Einsamkeit ihm die Möglichkeit zum Lesen, zum Studieren und zum Schreiben bot.

Szene Indem er sich weigerte, Besserung zu geloben und unter dieser Bedingung seine Zelle zu verlassen, entschied er sich für jene Daseinsform, eben das Alleinsein, von der er wohl ahnte, daß sie eine gute Ausgangssituation für die Vollbringung eines großen Werkes sei. Er hat 25 Jahre im Gefängnis verbracht, gestützt allein auf seinen unausrottbaren Glauben an sich selbst, der ihn genauso gut zum Wahnsinn hätte treiben können.




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