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Lisa und die Säbelzahntiger

Interview mit
Nadja Seedlich und Bernd Neuburger

  • Nach "Jonathana und die Hexe" und "Ferien mit Silvester" ist "Lisa und die Säbelzahntiger" der dritte Kinder-Kinofilm, den Ihr gemeinsam gemacht habt. Es werden so wenige Kinderfilme produziert, vor allem in Österreich, auch wenn die Kinos händeringend danach suchen. Was fasziniert Euch daran, Kinderfilme zu drehen?

Nadja Seelich: Das Publikum.

Bernd Neuburger: "Jonathana und die Hexe" war der erste österreichische Kinderfilm und es haben jede Menge Kinder, 13 Katzen, 1 Dohle und eine alte Frau mitgespielt. In allen unseren Filmen spielen viele Kinder und Tiere mit. Alles was Produzenten normalerweise mit einem Verbot belegen.

Szene Zum Unterschied von professionellen Schauspielern kann man von Kindern und Tieren nicht verlangen, daß sie diszipliniert und bewußt arbeiten. Man kann sich nur bemühen daß ihnen das Unternehmen Spaß macht. Mit Bianca/Lisa haben wir z. B. das "Mammutspiel" erfunden. Das Mammut war ich, Lisa war der Neandertaler. In den Drehpausen habe ich sie dann auf meinem Rücken herumgeschleppt, um sie bei Laune zu halten. Beim Drehen stand dann der Neandertaler vor und das Mammut hinter der Kamera. So wurden auch die Dreharbeiten zum Spiel.

  • Wie hast Du die Kinder gefunden?

Bernd Neuburger: Ich gehe in Schulen und schaue mir die Kinder während des Unterrichts an. Auf der Suche nach Lisa und den anderen Kinderdarstellern war ich in 100 Schulklassen. Die Kinder, die ich dann aussuche, werden zum Casting eingeladen. Erst dann wissen sie, daß ich in der Klasse war, um "Schauspieler" zu finden. Eines der Hauptkriterien für die Besetzung ist die gegenseitige Sympathie. Ein Kind, dem ich nicht sympathisch bin, wäre nicht bereit, mit mir zu spielen.

  • "Jonathana" und "Silvester" waren in Österreich, aber auch im Ausland sensationell erfolgreich, sie wurden zu vielen Festivals eingeladen, mit Preisen ausgezeichnet; "Jonathana" wurde französisch und tschechisch synchronisiert. "Silvester" war der erste österreichische Film, der mit efdo-Förderung verliehen wurde, er ist in Deutschland, Holland, Belgien, Dänemark und Luxemburg in die Kinos gekommen. Beide Filme waren bei etwa 25 Filmfestivals eingeladen. Der renommierte kanadische Kinderfilmproduzent und Verleiher Rock Demers wird "Silvester" als ersten nicht selbst produzierten Film in Verleih nehmen. Auch "Lisa und die Säbelzahntiger" ist bereits vom Schneidetisch weg zu einem renommierten französischen Kinderfilmfestival eingeladen worden. Kündigt sich die Fortsetzung des Erfolgs an?

Bernd Neuburger: "Lisa und die Säbelzahntiger" ist nach der Aufführung beim Internationalen Kinderfilmfestival in Laon zu weiteren Festivals eingeladen worden, nach Indien, Kanada, Chicago Montevideo und Isfahan im Iran. Und der holländische Kinderfilmverleih LOKV hat "Lisa" gekauft und wird den Film ab Oktober synchronisiert in den holländischen Kinos zeigen.

  • "Lisa" hat im Film ein Problem, das heute sehr viele Kinder haben: Sie wird mit der Trennung ihrer Bezugspersonen konfrontiert. War es Euch wichtig, den Kindern im "Kinoabenteuer" ein so realistisches Problem einzubauen?

Nadja Seelich: Lisa wurde von einem getrennt lebenden Ehepaar adoptiert. Die Trennung ihrer Adoptiveltern hat stattgefunden, bevor sie adoptiert wurde. Sie leidet nicht unter der Trennung der Eltern - die hat sie ja nicht miterlebt - sondern unter den, wie auch immer gutgemeinten Lügen, die ihr die Eltern aufgetischt haben, um sie zu schonen. Es ging uns nicht darum, ein so "realistisches Problem" einzubauen, sondern darum, daß sich Lisa verraten und einsam fühlte.

  • Wie bist Du auf die Geschichte gekommen?

Nadja Seelich: Am Anfang war ein Satz von Christian Morgenstern: Ihr seid von hier, ich bin von dort". Lisa ist eine Fremde. Sie ist nicht hier, sondern in einem Kinderheim aufgewachsen. Sie kennt sich hier, d. h., in der Gesellschaft, in die sie integriert werden soll, nicht aus. Also ist sie benachteiligt. Die Gesellschaft, repräsentiert durch Lisas Mitschülerinnen, ihre Eltern und die Lehrerin, sieht in dieser "armen Fremden" zuerst ein willkommenes Objekt ihrer karitativen Gelüste. Lisa fühlt sich aber gar nicht "arm" und spielt nicht mit. Die Gesellschaft ist gekränkt und zeigt Lisa die kalte Schulter. - So viel zu unserem psycho-soziologischen Nähkästchen.

Kinder gehen ins Kino, um sich zu amüsieren und nicht, um erzogen zu werden. Das, was sie am meisten amüsiert, sind ihre eigenen Vorstellungen, für die genügend Raum geschaffen werden muß. Ganz im Griff kann man als Erwachsener die Kinder eh nicht haben. - Bei einem Waldspaziergang hat meine kleine Nichte ein Zwergenhäuschen gebaut. Ein sehr schönes, mit kleinen Bettchen und Tisch und einer Glocke an der Tür. Dann sind wir weiter gegangen. Auf dem Rückweg kamen wir wieder an dem Zwergenhäuschen vorbei und sie ist stehengeblieben, während ich weiterging. Nach einer Weile kam sie nach und sagte, daß sie eine Zwergenhand gesehen hätte. Das sagte sie und sah mich dabei forschend an. Wenn ich gesagt hätte, so etwas gibt es nicht, hätte ich ihre Vermutung, daß Erwachsene dumm sind, bestätigt. Hätte ich gesagt, na klar, es wimmelt hier ja von Zwergen, hätte sie das Gefühl gehabt, ich lüge, um ihr einen Gefallen zu tun. Und sie sah mich unentwegt forschend an. Nun, ich habe keine Ahnung, ob sie eine Zwergenhand gesehen hat oder nicht, oder ob sie mich nur prüfte; oder ob sie eine Zwergenhand gesehen hat und mich prüfte; jedenfalls prüfte sie mich.

Sie wissen, daß wir anders sind als sie. Wenn wir einen Film "als ob" aus ihrer Perspektive machen, wissen sie, daß wir bluffen.

  • Der "Säbelzahntiger" heißt in Wirklichkeit "Kaschi" und ist eine außerordentlich folgsame und film-disziplinierte Katze. Bei den Dreharbeiten gab es aber doch Aufregung um ihn; er ist am letzten Tag ausgerissen ...

Bernd Neuburger: Der letzte Drehtag mit der Katze war ein "Außendreh", die Szene, in der Lisa verletzt im Graben liegt und Eva und Martin sie mit Hilfe vom Säbelzahntiger finden. Kaschi war die ganzen sieben Wochen Drehzeit so diszipliniert, daß wir auch im Freien so viel Vertrauen hatten und ihn ohne "Sicherung" laufen ließen. Er hat dann die erste Gelegenheit genützt und ist auf Nimmerwiedersehen im Gebüsch verschwunden. Acht Stunden haben das 30köpfige Team, zwei Förster und fünf Freizeitjäger nach ihm gesucht. Es war hoffnungslos. Am Rande der Verzweiflung haben wir beschlossen, die Nachtszene ohne ihn zu drehen. Das Licht wurde aufgebaut, die Kamera aufgestellt, Bianca geschminkt - und in dem Moment, als das Licht eingeschaltet wurde, tauchte Kaschi wieder auf! Anscheinend wäre es ihm doch nicht recht gewesen, wenn die Schlüsselszene ohne ihn stattgefunden hätte.


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