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Die Spur der roten Fässer

INTERVIEW MIT KONSTANTIN WECKER


Szene

Was hat Sie gereizt, für DIE SPUR DER ROTEN FÄSSER die Musik zu machen?

Ich habe schon seit langem Lust, für Kinder zu arbeiten, weil ich der Meinung bin, daß die Musikerziehung so im Argen liegt. Kinder verbringen ja viel mehr als früher ihre Zeit mit Musik; 7-8 Stunden am Tag hören sie Musik und dafür gibt's einmal in der Woche Musikunterricht. Das ist eigentlich kläglich. Es müßte so viel Musikunterricht wie Deutschunterricht geben. Musik ist der wesentliche Bestandteil eines Jugendlichen heute. Ich denke, wenn man den Kindern mehr Möglichkeiten bietet als das, was sie im Rundfunk hören, ihnen mal zeigt, was es für Möglichkeiten an Musik gibt, dann würde vielleicht auch der Geschmack ein bißchen besser werden. Musik hat eben auch was zu tun mit Bildung, nicht nur mit dem Gefühl, es gefällt mir oder es gefällt mir nicht. Es kann natürlich durchaus sein, daß einem plötzlich auch Mozart gefällt und nicht nur Techno. Ich glaube, das ist eine Möglichkeit, an Kinder ranzukommen und es geht ja nicht nur um die Musik, es geht auch um das Thema und den Inhalt des Films. Es ist schon sehr spannend und ich denke, der Kai Wessel hat das ganz großartig gelöst.

Gab es denn bestimmte Schwerpunkte, die Sie sich gesetzt haben bei diesem Film?

Zum einen bin ich schon mal sehr dankbar dafür, daß wir die Möglichkeit hatten, mit Dolby Surround zu arbeiten. Es ist tatsächlich so, wenn man Kindern etwas bieten will, dann muß man ihnen auch die technischen Möglichkeiten bieten, die sie von anderen großen Filmen gewohnt sind. Ich habe mit sehr modernen Sounds gearbeitet, ich habe das Neueste vom Neuen mit verwendet. Ich bin auf den Film eingegangen und habe versucht, von romantischen Melodien bis hin zu einem ganz spannenden Krimisound eigentlich alles mögliche zu verwenden, was die Palette der modernen Filmmusik anbietet. Wenn wir den Film in Dolby Surround-Kinos zeigen können und nicht nur im Fernsehen - wie man das so gewohnt ist, mit zwei kleinen Lautsprechern - dann kann die Musik wirklich unglaublich unterstützend wirken. Wenn man einen Film anschaut, bevor die Musik dazu gemischt ist und dann den gigantischen Unterschied merkt, wenn die Filmmusik dabei ist, dann weiß man eigentlich erst, was für eine Bedeutung Filmmusik hat.

Das Titellied, dessen Text Sie auch selber geschrieben haben, spricht vor allem von Abenteuer und Freundschaft, vom Zusammenhalten. Was ist für Sie der wichtigste Aspekt bei diesem Film?

Das Schönste an dem Film für mich ist, daß es um Phantasie geht, daß es Kinder sind, die mit einem Stück Holz etwas anfangen können, die nicht unbedingt ein Fertigprodukt brauchen, um ihre Phantasie anregen zu können. Daß es Kinder sind, die sich auf die Suche machen. Darum geht es auch in dem Text von meinem Song "Wir sind die Abenteuergang": Wir brauchen jetzt nicht unbedingt Fernsehen, wir brauchen keine Fotoromane, sondern wir können uns unsere Ideen durchaus noch im Kopf gestalten. Denn was ist das Schöne an Kindern? Sie sind in der Lage, sich Mithilfe ihrer Phantasie Schlösser zu erträumen. Das ist ja auch der Punkt, wo wir von Kindern lernen sollten, anstatt ihnen unsere Fertigware ins Herz hineinzupressen. Und das vermittelt der Film durchaus und ich denke, so ein bißchen von der Spannung sollte auch der Titelsong vermitteln.

Wie kann man denn Kinder heutzutage für das Thema Umwelt interessieren? Ist Musik dafür ein geeignetes Mittel?

Musik wird heutzutage zum Teil auf ganz verbrecherische Art und Weise eingesetzt. Wir wissen ja, wieviel Musik vermag. Das wissen allerdings auch sämtliche Werbestrategen, das wußten in früheren Zeiten Kriegsführer ganz genau und sie wußten, was die Marschmusik kann. Ich denke, jeder, der Musik macht, sollte ein bißchen auch über die moralische Komponente nachdenken. Was die Umweltproblematik betrifft, glaube ich, ist es gar nicht mehr so wichtig, die Kinder darauf hinzuweisen. Das werden sie von einer Werbung, die auf der einen Seite bloß für ihre eigenen Produkte werben will, aber auf der anderen Seite ganz genau weiß, daß Umweltthemen momentan dem Zeitgeist entsprechen. Viel wichtiger ist es, klar zu machen, was wirklich los ist. Nicht nur Umwelt als eine Sorge, als eine Zeitgeisterscheinung, sondern wo packt mich das persönlich - und das ist auch wieder in dem Film sehr geglückt, denke ich. Die Kinder baden am Anfang, sie entdecken tote Fische, einem davon geht's danach ganz schlecht, und da machen sie sich auf die Suche und fragen sich, was da eigentlich los ist. Aber nicht deswegen, weil sie große Umweltprofessoren wären oder weil sie sich jetzt nur um die Umwelt kümmern, sondern weil sie Spannung, weil sie Spaß haben wollen. Aus diesem Spaß heraus, aus dieser Freude am Neuen, aus dieser Neugierde heraus, passiert dann ein kleines Drama: man entdeckt plötzlich, daß es Leute gibt, die ganz rücksichtslos mit der Umwelt umgehen, und eigentlich klären die Kinder allein den Fall auf. Es wird ihnen dann noch mal geholfen, am Schluß von den Erwachsenen, das ist ja auch notwendig. Aber das ist auch das Schöne an dem Film: Es mischt sich nicht am laufenden Band ein Erwachsener ein, sondern man läßt sie ihrer Phantasie nachgehen, ihren manchmal auch völlig verrückten Gedankenwegen. Es entwickelt sich am Schluß wirklich eine kleine Kriminalstory. Ich denke, da ist einem die Umweltproblematik nicht wie ein Stempel aufgeprägt, sondern es kommt ganz spielerisch und automatisch mit dem Spiel und das ist sehr angenehm .

Gibt es für Sie einen Unterschied zwischen Musik für Kinder und Musik für Erwachsene?

Ich habe das als Herausforderung gesehen, überhaupt mit Kindern zu arbeiten, mit Kindern Musik zu machen, Kinder auf andere Weise an Musik heranzuführen. Ich hab einen sehr großen Lehrmeister, Carl Orff, den ich auch noch kennengelernt habe, der das Orff'sche Schulwerk für sein wichtigstes Werk gehalten hat. Wir leben jetzt in einer anderen Zeit: das Orff'sche Schulwerk ist nach wie vor notwendig, aber es gibt mittlerweile Synthesizer und es gibt Techno und es gibt "Viva" und "MTV". Da muß man auch mit der Zeit gehen. Man darf für einen Kinderfilm zuerst mal keine andere Musik machen, sondern man muß eine Filmmusik machen, die der Spannung des Filmes gemäß ist und die den Bildern gerecht wird. Wir kennen vom Fernsehen her zur Zeit leider keine guten Filmmusiken. Es gibt kaum mehr Melodien in Filmmusiken. Ich bin nicht sehr zufrieden mit dem, was an deutscher Filmmusik geboten wird. Ich glaube, daß Filmmusik ein sehr wichtiger Bestandteil eines Filmes ist und so viel an Emotionen rüberbringen kann, daß man da einfach mehr Sorgfalt darauf verwenden sollte, als das derzeit der Fall ist. Da bin ich in der glücklichen Lage, mir die Filmmusik aussuchen zu können, die ich machen will.

Also wird es weiterhin Filmmusik von Konstantin Wecker geben, auch für Kinderfilme?

K.W.: Das hängt auch immer davon ab, was man mir anbietet und wer mir was anbietet. Man muß sich über folgendes klar sein: wenn man mir eine Filmmusik anbietet, möchte ich es sehr ernst machen. Und manchmal hat man sogar die Gelegenheit, ganz selten für Orchester zu arbeiten. Das ist besonders schön und das ist dann sozusagen die Krönung. Da sollten wir uns die USA als Vorbild nehmen. Das ist überhaupt ein deutsches Problem: Wir haben so viel Angst vor Emotionen und haben auch soviel Angst vor emotionaler Musik, daß es eine Zeitlang diese ganz rationale Musik gab. Ich würde mir wünschen, daß Regisseure sich dessen wieder bewußt sind, was für eine magische Wirkung Musik hat und auch mal wieder an die Komponisten herangehen.

(Das Interview führte Gudula Meinzolt, München, Februar 1996)

Bio- und Filmographie Konstantin Wecker:

1947 geboren in München, seit 1968 Soloauftritte

1972 Veröffentlichung seiner ersten Solo-LP, seitdem hat er über 20 LPs bzw. CDs produziert. Zahlreiche Tourneen mit namhaften Musikern wie Wolfgang Dauner, Charlie Mariano führten ihn u.a. durch Deutschland, die Schweiz, Österreich, die Türkei, Italien, Bolivien, Peru und Mexiko. Er schrieb Theatermusiken und arbeitet seit Ende der 70er Jahre auch für den Film:

1979 Filmmusik und Rolle in SCHWESTERN ODER DIE BALANCE DES GLÜCKS von Margarethe von Trotta

1983 Filmmusik und Rolle in PEPPERMINT FRIEDEN von Marianne Rosenbaum

1990 Filmmusik DER BIERKÖNIG

1992 Titelsong und Filmrolle im TATORT Filmmusik zu Helmut Dietls Film SCHTONK; Rolle und Filmmusik zu LILIEN IN DER BANK von Marianne Rosenbaum; Filmmusik zu Peter Timms Film EIN MANN FÜR JEDE TONART

1993 Filmrolle im BABYLON-PROJEKT mit Franco Nero in der Regie von Peter Patzek sowie Filmrolle und Filmmusik zu " 1945 " von Peter Patzek

1994 Filmrolle und Filmmusik für die ARD-Serie ÄRZTE

1995 Filmrolle und Filmmusik für die ARD-Serie DR. SCHWARZ UND DR. MARTIN; Filmmusik für DIE SPUR DER ROTEN FÄSSER von Kai Wessel


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