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Keine Zeit - Westernhagen
Interview
mit Westernhagen
Herr Westernhagen, neben vielen
anderen Dingen dokumentiert KEINE
ZEIT auch, wie sich eine Mega-Tournee wie die "Affentour" auf einen
Künstler auswirkt, wie sich seine
Persönlichkeit unter dem enormen
Druck allmählich verändert. Ist
es für Sie nicht manchmal
erschreckend, den Film vor diesem
Hintergrund zu sehen?
WESTERNHAGEN: Nein, überhaupt
nicht, weil ich ja weiß, wie sich so eine
Tour auf mich auswirkt. Nach einer
Tournee solchen Ausmaßes brauche ich
Monate, bis sich meine Psyche wieder
im Gleichgewicht befindet. Man kann
kaum jemandem vermitteln, was man
geben und nach außen kehren muß,
wieviel Kraft und Substanz man Abend
für Abend investieren muß. Dazu
kommt noch der schwer zu fassende
Druck, der aus der Erwartungshaltung
von unzähligen Menschen resultiert, die
all ihre Wünsche im Augenblick des
Konzerts auf eine einzige Person
projizieren. Es ist manchmal nicht
einfach, damit umzugehen!
Wie haben Sie empfunden, als Sie
Keine Zeit zum ersten Mal gesehen
haben?
WESTERNHAGEN: Ich muß gestehen,
daß es sehr, sehr schwierig für mich
war, den ersten Rohschnitt des Films zu
sehen. Dieser Film zeigt mich in
Situationen, die sonst nur Menschen zu
sehen bekommen, die mir sehr nahe
stehen - und das alles auf der Leinwand
ausgebreitet zu sehen, war mir
unangenehm. Ich glaube, Keine Zeit
zeigt Facetten meiner Persönlichkeit,
die meinem Publikum und den Medien
unbekannt sind.
Gab es während der Dreharbeiten
Situationen, die für die Kameras von
D.A. Pennebaker und Chris Hegedus
tabu waren?
WESTERNHAGEN: Nein. Es wäre auch
nicht nötig gewesen, denn die beiden
sind sehr sensibel und haben genau
gespürt, wann ich alleine sein wollte.
Außerdem kann so ein Film nur
funktionieren, wenn man bereit ist,
sich ganz zu öffnen. Insofern war von
Vornherein klar, daß Pennebaker und
Hegedus alles filmen durften, was ihnen
wichtig erschien. Außerdem war ja
auch Romney ständig mit ihrer Hi8-Kamera hinter mir her.
Was macht für Sie die besondere
Qualität der Arbeit von D.A. Pennebaker
und Chris Hegedus aus?
WESTERNHAGEN: Was ich an den
beiden schätze, ist die Tatsache, daß sie
mit einer anderen Intention arbeiten
als andere Filmemacher. Sehen Sie,
wenn deutsche Filmer eine
Dokumentation machen, dann
wollen sie in aller Regel etwas
"entlarven". Man sucht hier nach dem
sprichwörtlichen Dreck, der unter den
Teppich gekehrt wurde. Penny und
Chris dagegen machen Filme mit und
über Leute, die sie als Künstler und
Menschen respektieren. Sie beobachten,
ohne zu werten. Eins-zu-Eins, da ist
nichts manipuliert. Und das macht für
mich die Qualität einer Dokumentation
aus. Derjenige, der beobachtet wird,
muß natürlich mit den Beobachtern ein
Vertrauensverhältnis eingehen. Sonst
wäre es ja nicht möglich, sich zu
öffnen. Alles würde sich dann nur an der
Oberfläche abspielen.
Welches Resümee ziehen Sie nach der
Zusammenarbeit mit Chris Hegedus
und D.A. Pennebaker?
WESTERNHAGEN: Über die Dreharbeiten
und die Nachbearbeitung von KEINE
ZEIT sind wir zu Freunden geworden.
Ich vertrete die Auffassung, daß man
versuchen sollte, stets mit den
bestmöglichen Leuten zu arbeiten, weil
man nur an ihnen wachsen kann. Die
Arbeit mit Pennebaker und Hegedus war
eine Herausforderung für mich - und
ich habe dabei gelernt. Die "Affentour"
war etwas besonderes für mich, weil
sich neue Sichtweisen ergeben haben
unerwartet nach über 20 Jahren auf
der Bühne. Und es gibt ein paar Dinge,
mit denen ich abgeschlossen
habe. Ich glaube, ich werde in weiteren
20 Jahren stolz und glücklich darüber
sein, daß die beiden diese Tournee
dokumentiert haben.
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