Kamera
Emmerich genoß seine sechste Zusammenarbeit
mit Karl Walter Lindenlaub, seinem Kameramann. Lindenlaub filmte
Independence Day im Super-35-Millimeter Breitwandformat.
Gegenüber den anamorphotischen Linsen, die auch Breitwandbilder
erzeugen, hat Super-35-Millimeter den Vorteil, daß es den
Bildhintergrund nicht verkleinert. Auf diese Weise konnte Emmerich
die weitreichenden Hintergründe von Utah und die von panischen
Menschen bevölkerten Straßen von Manhattan aus der
richtigen Perspektive filmen und hatte trotzdem noch genügend
Raum, um nachträglich Effekte, wie ein schwebendes Raumschiff,
hinzuzufügen. Lindenlaub verwendete zudem Spezialfilter,
um die Farben der Utah-Wüste in all ihrer Schönheit
einzufangen: Vom blendenden Weiß der Salzebenen, über
die purpurroten Berge, bis hin zum türkisfarbenen Himmel.
Die Farbgebung seiner Bilder ist für
Lindenlaub von besonderer Bedeutung, speziell beim Dreh der Innenaufnahmen
im Hughes Airport in Los Angeles, welcher der Independence
Day-Crew als Studio diente. Hier wurden auch die Sets für
die streng geheime Militärbasis gebaut, die das Zentrum des
Films bilden.
Militärbasis
Da die U.S. Regierung nach wie vor darauf
beharrt, daß es keine solche Basis gibt, in der außerirdisches
Leben erforscht wird, hatten Lindenlaub und die Produktions-Designer
Patrick Tatopoulos und Oliver Scholl viel künstlerische Freiheit
und konnten sich eine eigene Version dieses Gebäudes ausdenken.
Das Innere der Basis, ein langer, antiseptischer Korridor voller
Computer und überirdisch erscheinender Artefakte, war eines
der Schaustücke des Films. Ebenso, wie die lange Halle, die
zu einem großen Fenster führt, das den Blick auf einen
riesigen Bunker freigibt, in dem sich ein erbeutetes Raumschiff
befindet. Diese außerirdische Flugmaschine füllte im
wahrsten Sinne des Wortes einen der Hangars auf dem Hughes-Airport
aus. Mit Hilfe von Mörtel, Holz und Sand wurde dieser Hangar
in eine streng geheime Forschungsstation verwandelt. Diese trickreiche
Mixtur erschuf den Eindruck, als seien die Wände aus Beton.
Modelle
Die Modell-Abteilung wurde geleitet von
Mike Joyce, der für die Miniaturbauten in Batman
Forever verantwortlich war. Er begann seine Arbeit im Mai
1995 und beendete sie erst nach fast einem Jahr. Laut Devlin stellt
Independence Day, was die Verwendung von Modellaufnahmen
angeht, alle bisherigen Filme in den Schatten. Über ein Jahr
arbeiteten vier Kameracrews täglich an den Miniaturtricks.
Dieser enorme Gebrauch von Miniatureffekten war beabsichtigt.
"Wir brachten all das mit ein, was wir in den letzten Jahren
gelernt hatten. Wir hoffen, daß die Special Effects alles
in den Schatten stellen, was wir bisher gemacht haben. Unser Ziel
war es, bis an die Grenzen des Machbaren zu gehen, mit Hilfe modernster
Technologie und altbewährter Tricks. Neben digitaler Bildbearbeitung
und -animation benutzten wir auch völlig einfache Effekte
wie Flugzeugmodelle, die an Drähten befestigt waren. Diese
Mixtur aus High-Tech-Special Effects und traditionellen Tricks,
erlaubte es jeder unserer Abteilungen, originelle Lösungen
anzubieten. Ich glaube, wir können mit Tricks aufwarten,
wie sie nie zuvor zu sehen waren.
Einige der Effekte waren spektakuläre
Explosionen, die wirklich gezündet wurden. Es war reine Handarbeit
der Modell- und der Pyrotechnik-Abteilung. Erstere wurde von Mike
Joyce geleitet, letztere von Volker Engel und Doug Smith, überwacht
von Pyro-Altmeister Joe Viskocil. Das Drehbuch von Independence
Day verlangte die Zerstörung zahlreicher Städte,
hervorgerufen durch die außerirdischen Besucher, die keine
Gefangenen machen wollen und nur die Weltherrschaft im Sinn haben.
Eine der beliebtesten Verwüstungsmethoden der Aliens wurde
von den Filmemachern als "Zerstörungswelle"
bezeichnet, ein gigantischer Feuerwall, der ganze Städte
ausradieren kann. Diese Aufnahmen waren nur einige von vielen,
für die Modelle benötigt wurden.
"Als ich das
Drehbuch las und wir Modelle in die Luft sprengten, war mir klar,
daß die Miniatureffekte für zwei Filme ausgereicht
hätten", erinnert sich Joyce. "Es wurden ganze
Städte, Alien-Raumschiffe, Helikopter, Kampfflugzeuge gebaut,
alles, was man sich vorstellen kann. Wir gingen an die Grenze
dessen, was man mit Miniaturen machen kann.
Die Kombination verschiedener Elemente
wie Modelltricks, realer Aufnahmen von Schauspielern und Computereffekte
erforderte ein präzises Zusammenwirken. Schauspieler wurden
vor einer Blue Screen aufgenommen, dann mit den Aufnahmen explodierender
Miniaturgebäude kombiniert. Bilder von Miniatur-Jets und
Raumschiffen wurden mit Rückprojektionen eines Wüstenhorizonts
und mit Aufnahmen von Schauspielern in F18-Flugzeugen zusammengemischt.
(Diese originalgetreuen Jets waren an Spezialhalterungen befestigt,
mit Hilfe derer das Rütteln und Schwanken eines echten Flugzeuges
imitiert werden konnte.) Die Großaufnahmen von den Schauspielern
wurden unterschnitten mit den Totalen von F18-Modellen, die mit
Überschallgeschwindigkeit durch die Luft jagen. Alle verschiedenen
Bereiche wie First- und Second-Unit, Special Effects-, Motion
Control- und Modell-Abteilung, mußten ihre Arbeit genauestens
koordinieren, um ein perfektes Zusammenspiel aller verschiedenen
Komponenten zu gewährleisten.
Für die aufwendigen Special Effects-Arbeiten
engagierte Emmerich nicht nur altgediente Hollywood-Profis, sondern
auch Newcomer aus Deutschland. Als Trick-Supervisor nahm er beispielsweise
Volker Engel unter Vertrag, der zuvor einen Lehrjob an der Filmakademie
Baden-Württemberg in Ludwigsburg hatte. Für Emmerich
realisierte er bereits die Effekte von Moon 44
und spezielle Tricks von Universal Soldier. Bei
Independence Day gab ihm der Regisseur in der Auswahl seines
Trickteams freie Hand und so entschloß sich Engel, einige
talentierte Studenten der Filmakademie mit nach Hollywood zu nehmen.
Anna Förster und Phillipp Timme arbeiteten als Kameraleute
für die visuellen Effekte, während Hartmut Engel, Benedikt
Niemann und Conny Fauser die digitalen Effekte realisierten. Sie
konnten mühelos in das amerikanische Team integriert werden.
Emmerich und Devlin achteten trotz des
gigantischen Umfangs der Trickarbeiten stets darauf, daß
alles, was an Effekten geboten wird, immer der Story und den Charakteren
dient.
"Die Modelltricks, die Computereffekte
und die Stunts", so Devlin, "können noch so
gut sein. Wenn es keine glaubwürdigen, sympathischen Charaktere
und keine packende Story gibt, sind sie völlig nutzlos."
Auch Emmerich meint, daß jeder der Charaktere extrem wichtig
für die Geschichte ist und eine entscheidende Rolle für
das Endergebnis spielt. "Der Zuschauer soll mit ihnen mitfühlen
und miterleben, wie es ist, dem ultimativen Desaster ins Auge
zu blicken. Er soll erfahren, wie sie ihre kleinen Alltagsprobleme
über Bord werfen, um diese eine große Gefahr zu meistern."