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Breaking the Waves
Ein Film über Das Gute
Lars von Trier über Breaking the Waves
Ich hatte schon seit geraumer Zeit den Wunsch, einen Film zu machen,
in dem alle treibenden Kräfte »gut« wären.
Es sollte in diesem Film nur »Gutes« geben. Aber weil
»das Gute« oft mißverstanden oder mit etwas anderem
verwechselt wird, weil wir ihm so selten begegnen, entstehen Spannungen.
Bess' Charakter ist »gut« in einem spirituellen Sinn.
Sie lebt überwiegend in der Welt ihrer Vorstellungen, ohne
jemals zu verstehen, daß noch andere Dinge als
»das Gute« existieren könnten. Sie ist eine starke
Persönlichkeit, fähig, die volle Verantwortung für
ihr eigenes Leben zu tragen, auch wenn andere ihr das nicht zutrauen.
Bess' Stärke resultiert aus ihrem Glauben und ihrer Liebe.
Mit dieser Stärke gelingt es ihr sogar, sich gegen die strengen
Regeln ihrer Gemeinde aufzulehnen und gegen die Kirche, die ihr
einst so lieb und teuer war.
Jan ist »gut« auf kompliziertere Weise, denn er strebt
»das Gute« bewußt an. Er lebt in der realen Welt,
wo es natürlich sehr viel schwieriger ist, »Gutes«
zu tun. Die Tatsache, daß er sich in die naive Bess, die
kein anderer Mann haben will, verliebt und sie heiratet, ist ein
Beispiel für die Treue zu seinen Überzeugungen. Er will
»das Gute« oder »das Richtige« tun. Wenn er
einen Menschen liebt, dann dürfen sich weder die Gesellschaft
noch irgendwelche Leute einmischen.
Jan hat genaue Vorstellungen über die Liebe und wie sie gelebt
werden sollte. Er hat viele Erfahrungen gesammelt und dabei immer
ein »Evangelium der Liebe« befolgt, wie es Carl Theodor
Dreyer einmal formulierte.
Als Jan und Bess einander begegnen, lieben sie sich hemmungslos
und ohne Scham. Am Anfang des Films spürt man, daß
sie gut zusammenpassen. Er, der Erfahrene, der sich seiner Gefühle
und seines Körpers bewußt ist und sie als
natürlich annimmt; sie mit ihren gewaltigen Gefühlen,
die plötzlich durch diese Begegnung aufbrechen, mit einer
kindlichen Naivität, aber der intuitiven Überzeugung,
daß diese Beziehung »richtig« sein muß.
Wir spüren die Spannungen in der Gemeinde, in der sie leben,
aber nichts kann Bess und Jan stören, solange sie nur zusammen
sind.
Dann passiert die Trennung und der Unfall. Jan ist zunächst
sehr realistisch. Er weiß, daß er nie wieder Bess'
Liebhaber, nie wieder ein richtiger Mann für sie sein kann.
Sie war so glücklich in ihrer ersten Liebe, sie wuchs über
sich selbst hinaus. Die körperliche Liebe ließ sie
erblühen. Jan quält weniger sein eigenes Unglück
als die Vorstellung, daß Bess'
Jugend dahinschwindet ohne die Freuden der körperlichen Liebe.
Als er Bess bittet, sich eine andere Liebe zu suchen, meint er
das ganz ernsthaft und ehrlich. Er möchte ihr »Gutes«
tun.
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