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Ein Einfacher Plan
Billy Bob Thornton
als Jacob
Die tragische Figur des Jacob Mitchell wird von Oscar-Preisträger
Billy Bob Thornton verkörpert, dem es hier nach "Sling
Blade" wiederum gelingt, einer scheinbar tumben Figur
Herz, Seele und unendlich viel Charakter zu schenken.
Zunächst mit bauernschlauem Humor und entwaffnender Mimik,
dann mit emotionalen Brüchen und unerwartetem Einfühlvermögen
gestaltet Thornton seine Figur als einen verlorenen Mann, der
sich schon lange aufgegeben haben mag, aber deshalb noch nicht
seine Prinzipien verkauft.
Impulsiv, herzlich und begeisterungsfähig startet Jacob
in die Geschichte, doch der Schutzinstinkt für seinen Bruder
und die durch den Millionenfund aufkeimenden Träume lassen
ihn ein ums andere Mal das Falsche zum falschen Zeitpunkt tun.
Niemanden enttäuscht das mehr als Jacob selbst. Und mit
einem Verantwortungsbewußtsein für sein Handeln, das
so selten wie herzzerreißend ist, wird er die Konsequenzen
ziehen und dem Mahlstrom der Ereignisse ein Ende setzen. Auf
seine Weise.
"Ein Einfacher Plan war eines der besten
Drehbücher, die ich je gelesen habe", gibt der für
solche Aussagen fraglos qualifizierte Mime zu Protokoll, "und
ich denke, daß es wichtig ist, im Kino trotz der allgemeinen
Sucht nach Entertainment auch die dunklen Seiten des Lebens zu
zeigen, weil sie uns bedenkenswerte Lektionen vermitteln.
Beeindruckend ist nicht nur die Story, sondern auch die Tonalität,
die ambivalente Atmosphäre des Materials. Kaum jemandem
gelingt es, Elemente des Thrillers, des Dramas und der schwarzen
Komödie einheitlich zu verknüpfen, doch dieser Film
schafft sich seine eigenen erzählerischen Grenzen. Den Vergleich
zu Hitchcock halte ich für angebracht, was die psychologische
Finesse und den humanen Humor angeht.
Doch während in seinen Filmen meist Unschuldige in die
Enge getrieben werden, laden bei uns drei gewöhnliche Menschen
Schuld auf sich und fürchten den Rest der Geschichte, für
ihre Vergehen bestraft zu werden. Welch bittere Ironie nur, daß
sie sich ganz allein ins Unglück stürzen können."
William Robert Thornton kam als jüngster von drei Brüdern
am 4. August 1955 in Hot Springs, Arkansas, zur Welt und versuchte
sich zunächst als Schlagzeuger und Sänger einer Band
namens Tres Hombres, bevor er sich für die Schauspielerei
zu interessieren begann und 1981 folgerichtig in die Stadt der
Engel zog, um klassischen Unterricht zu nehmen.
Die folgenden Jahre sollten frustrierend erfolglos verlaufen,
wenn man von einem regelmäßigen Gig in der TV-Serie
"The Outsiders" und Theaterauftritten in "Lone
Star" oder "A Streetcar Named Desire" absieht,
doch Thornton nutzte seine reichliche Freizeit nicht nur für
drei Ehen, sondern auch mit fachlicher Produktivität, indem
er Drehbücher schrieb, die vorliebig sein kluges Verständnis
der amerikanischen Südstaaten reflektierten.
Eines dieser Scripts, das mit dem International Fantasy Film
Award prämierte "One False Move", wurde
dann auch 1991 mit fulminantem Story-Verständnis von Carl
Franklin verfilmt; Thornton übernahm die Rolle des psychopathischen
Ray Malcolm. Seither ist er im übrigen mit Bill Paxton befreundet,
den der zuerst für Ein Einfacher Plan
besetzte Thornton auch für die zweite Hauptrolle vorschlug.
1992 landete er eine Rolle in der John Ritter-Sitcom "Hearts
Afire", die ihm für die nächsten drei Jahre
ein Einkommen sicherte. Parallel spielte er eine Reihe kleiner,
aber respektabler Parts in Kino-Produktionen wie "Indecent
Proposal", "Tombstone" oder "Dead
Man", und es war in dieser Zeit, als Thornton mit der
Arbeit an dem Kurzfilm "Some Folks Call It a Sling Blade"
begann, für den er die Figur des verstörend kindlichen
Simpels Karl Childers erfand, den er sich auf den Leib schrieb
und darstellerisch über Jahre in Heimarbeit vor dem Spiegel
verfeinerte.
Hollywood in seiner unendlichen Weisheit wußte nichts
mit dem Material anzufangen, also stellte Thornton selbst die
Mittel für einen abendfüllenden Spielfilm über
Karl zusammen, gewann dafür Freunde wie Ritter, J.T. Walsh,
Dwight Yoakam und Robert Duvalln weiteren Rollen und präsentierte
sein Regiedebüt schließlich 1996.
Selten ist jemand so schnell und bombenfest ins Epizentrum der
Filmindustrie vorgerückt wie Billy Bob Thornton mit "Sling
Blade". Kritiker erkannten in seinem Film die Fortsetzung
gothischer Southern-Literatur mit Kino-Mitteln, das US-Publikum
nahm sich die tragische Figur des Carl zu Herzen und nicht zuletzt
die Distributionsfirma Miramax sorgte dafür, daß niemand
mehr den Hauptdarsteller, Regisseur, Autor und Produzenten von
"Sling Blade" unterschätzen würde.
Mit fast logischer Konsequenz erhielt Thornton 1996 einen Oscar
für das beste Drehbuch und war zudem als bester Hauptdarsteller
nominiert. Weiterhin gewann er einen Independent Spirit Award
für den besten Erstlingsfilm und den Special Achievement
in Filmmaking Award vom National Board of Review. Zusätzlicher
Lohn der Mühen: Augenzwinkernde Star-Cameos in den US-Serien
"Ellen" und (als Cartoon-Charakter) in
"King of the Hill".
Welch schauspielerisches Potential da all die Jahre geschlummert
hatte, machten Thorntons nächste Filme sehr deutlich.
Verwandlungsfähig
und nach Jahren künstlerischen Zehrens nicht von ungefähr
oft einen Tick grimmiger, passionierter gar als seine Kollegen,
agierte er als beschränkter Schrauber in "U-Turn",
bot eine beißend sarkastische Carville-Imitation in "Primary
Colors" oder auch in "Armageddon".
Demnächst wird er als Rivale John Cusacks in der
Fluglotsen-Tragikomödie
"Pushing Tin" zu sehen sein. Auch als Regisseur
war Thornton unterdessen wieder aktiv. Bereits abgedreht ist
die Familiengeschichte "Daddy and Them" und
im Frühjahr 1999 beginnt er mit den Dreharbeiten der Bestseller-Verfilmung
"All the Pretty Horses", in der er allerdings
nicht mitwirkt; die Hauptrolle ging an Matt Damon.
Und zuletzt harrt das Drehbuch "Camouflage"
der Produktion, eine schwarze Komödie, die Thornton wieder
zusammen mit dem "One False Move"-Co-Autor
Tom Epperson verfaßt hat.
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