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Mifune - Dogma 3


Szene Szene

Dogmatische Produktionsnotizen

Wenn Instrumentalisten im toten Kamerawinkel musizieren, weil die Produktion keinen Soundtrack aus der Konserve zuläßt...; wenn die Posten für Kostüm-, Set- und Titeldesign gleich ganz unter den Tisch fallen...; und wenn schließlich ein durch und durch dänischer Filmemacher mit Trick siebzehn Sets ausleuchtet oder schlechten Gewissens wildfremdes Federvieh ins Bild scheucht ... dann nagelt der Projektor nach Thomas Vinterbergs "Das Fest" und Lars von Triers "Idioten" wohl wieder die zehn Gebote des Dogma an die Leinwand.

Doch heiliger Hochverrat! Offensichtlich nimmt es MIFUNE-Macher Søren Kragh-Jacobsen nicht ganz so ernst damit - man lese nur sein köstliches "Geständnis". Aber da muß der vorliebig dogmen-deklinierende Cineast jetzt durch. Alles andere wäre dogmatisch.

Der Verdacht lag vom ersten Tag an nahe: Nicht umsonst wurde das Dogma 1995 in Fröhlichkeit ausgeknobelt, ausgerechnet zum Geschnatter und Blitzlichtgewitter von Cannes lanciert und durch seine gewitzten Erfinder prompt wieder relativiert. Es genügt, daß streng genommen Synchronisationen, Stative und dergleichen Hollywood-Humbug auf dem Index stehen.

Vom Verzicht auf Humor oder gar auf Selbstironie hat keiner was gesagt. Siehe MIFUNE. Eine zu wahrhaftige Geschichte, als daß sie sich ins Raster der Kunst pressen ließe.

Ganz im Gegenteil empfand Kragh-Jacobsen die Dogma-Schranken eher befreiend, da dehnbar. Er erläutert: "Als Regisseur kann man von Technologie vergewaltigt werden und das teure Equipment als Tyrannei erleben: Kräne, Filter, Schienen, Scheinwerfer. Wozu das alles? Auf technischem Level werden wir Amerikanern ohnehin nie Paroli bieten können. Europäer sollten in eine andere Richtung gehen." Dementsprechend offen war Kragh-Jacobsen für das Angebot, MIFUNE unter dem Dogma-Dach zu drehen: "Eine künstlerische Carte Blanche, was Lars und Thomas sich und anderen Filmemachern mit ihrer Verbündung ermöglichten. Mir selbst war zuvor ein wenig meine Spontanität als Filmemacher abhanden gekommen, weil ich mich in technische Aspekte verrannt hatte. Beim Eintritt ins Dogma hingegen war ich wirklich nur einer logistischen Vorbedingung ausgesetzt - daß beim Drehen Film in der Kamera sein solle."

"Zunächst hatte ich keine Ahnung", führt der Regisseur fort, "in welche Richtung ich eigentlich mit dem Projekt sollte. Lars wußte sehr genau, was er mit den 'Idioten' erzählen wollte und ich beneidete ihn darum. Aber mein Script war erst vier Tage vor Beginn der Dreharbeiten schußreif und im nachhinein bin ich sehr froh darüber, weil es mir keine Zeit zum Experimentieren ließ. Ich wollte aus dem Stoff kein zähneknirschendes Drama, sondern einen kleinen, einen augenzwinkernden Film machen. Etwas Ansprechendes, Optimistisches: Kino für den Sommer. Klar, ich hätte auch den absurden Surrealisten-Søren hinlegen können. Aber ich heiße nun mal nicht Lars von Trier - und unter seinem Produktionsdach geht es um Diversität, nicht um Ideenklonen. Und ich bin Realist. Ein Erzähler von Stories, der seinen Traditionen gerecht bleiben muß - und trotzdem den Regeln des Dogma folgen kann. Sie haben sich ja nicht als Zwangsjacke erwiesen, sondern sehr pures Filmemachen ermöglicht. Zudem hat es sich als superber kommerzieller Schritt erwiesen, auch wenn man die Regeln hie und da ein bißchen biegen muß. Man stelle sich vor: Beim Dreh von MIFUNE habe ich tatsächlich ein paar Büsche stutzen lassen, um immer ein Durchkommen der Kamera zu gewährleisten..."


Die Idee für den dänischen Originaltitel - übersetzt: "Mifunes letzter Song" - hatte Søren Kragh-Jacobsen im Jahre 1997, als der monolithische japanische Schauspieler Toshiro Mifune aus dem Leben schied. Nicht nur spielt Mifunes unvergessener Part in "Die sieben Samurai" eine rührende Rolle in MIFUNE. Der Regisseur sieht auch Parallelen zwischen dem Krieger unehrenhafter Abstammung in Kurosawas Film und dem Karrieristen vom Bauernhof, wie ihn Anders W. Berthelsen so versonnen verkörpert. Nicht von ungefähr besagt die Philosophie des Filmes, daß sich niemand aus seiner Vergangenheit herauslügen kann. Eine Wahrheit, vergleichbar nur mit dem anderen MIFUNE-Aphorismus, der besagt, daß das Leben wie eine Hühnerleiter sei: kurz und beschissen.

Eher prosaisch wurde das Gros von MIFUNE in rund sechs Wochen auf einem leerstehenden Gutshof im flunderflachen Süden Dänemarks gedreht. Dort schlief die Crew vornehmlich in Caravans und die Schauspieler trugen vor der Kamera eigene Kleidungsstücke. "Damit beabsichtigte ich", sagt Kragh-Jacobsen, "MIFUNE abseits der üblichen, allzu genormten Trampelpfade von Filmcrews zu realisieren. Erst recht abseits von Kopenhagen, wo in diesem Land die meisten Produktionen entstehen, was gewisse Routine und Gleichnis zur Folge hat."

Daß am Behelfs-Set von MIFUNE keine Routine aufkam, dafür sorgte nicht zuletzt das meist regnerische Nordwetter, das wiederum Kragh-Jacobsens angestrebtem visuellen Stil zugute kam: hochexpressiv, natürlich naturalistisch. Ansonsten hielt er es mit traditionellen Mitteln. Drehte auf 35-mm-Film und nicht etwa mit der von Trier'schen Wackelvideokamera; verließ sich auf konservative Takes, weil er "die Nutzung von Handkameras per se nicht für sonderlich revolutionär oder storydienlich" hält. Sprich: Manchmal muß dogmatisch sein, wer nicht blitzschnell schlängelnden Dogmenfesseln zum Opfer fallen will...

Søren Kragh-Jacobsen hat das MIFUNE-Script gemeinsam mit dem professionellen Drehbuchdoktor Mogens Rukov sowie dem jungen Regisseur Anders Thomas Jensen geschrieben, der dem Alter der Hauptfiguren deutlich näher ist als ihr Regisseur. Dieser konnte somit unter dem Dogma-Firmament seinen laut Selbsteinschätzung "besten Film" abliefern, der ihn fraglos international in aller Munde bringen (und etliche Zungen brechen) wird.

Nervös, in eine Reihe mit von Trier und Vinterberg zu treten, sei Kragh-Jacobsen nie gewesen: "Ich bin zu alt, um mich von Vergleichen oder Erwartungen einschüchtern zu lassen. Als Regisseur spürt man sehr genau, ob ein Film funktioniert oder nicht - und da MIFUNE bestens funktioniert, bin ich bestimmt nicht nervöser als vor jeder anderen Premiere. Als Filmemacher habe ich Lars und Thomas hiermit die Hand gereicht. Beim Dogma-Zertifikat geht es ohnehin nicht um Namen, sondern um das Abschälen der Zwänge und Moden, unter denen eine gute Story zum Vorschein kommen kann."

Nur eine Kleinigkeit sorgt rückblickend für Verdruß des Filmemachers. Mühsam hatte er versucht, die Nutzungsrechte für einen Ausschnitt von "Die sieben Samurai" zu gewinnen und war dabei zu Akira Kurosawas Lebzeiten sogar bis zu dessen Frau vorgedrungen, die den Dänen an die Produktionsfirma Toho verwies. "Dort lehnte man das Anliegen leider ab", so Kragh-Jacobsen abschließend, "weil es offensichtlich Konflikte zwischen Kurosawa und der Firma gab. Den Titel MIFUNE haben wir trotzdem behalten. Das Wort liegt gut im Mund und schmeckt wie ein Bonbon".


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