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Ein Sommernachtstraum
Produktionsnotizen
Zuerst hatte ich nur dieses Bild von einem kleinen, dicken Puck
vor Augen, der auf dem Rücken einer Schildkröte durch
die toskanische Landschaft reitet", sagt Regisseur Michael
Hoffman. "Der Rest des Films hat sich dann aus diesem Bild
ergeben."
Tatsächlich hegte Hoffman schon lange den Wunsch, Shakespeares
Ein Sommernachtstraum für die Leinwand zu adaptieren.
Er hatte einmal bei einer Inszenierung den Lysander gespielt.
Diese Aufführung brachte Hoffman mit anderen Gleichgesinnten
für das University Theater Department in Boise, Idaho, auf
die Bühne.
Einige Jahre später, als Hoffman Theaterwissenschaften
in Oxford studierte, inszenierte er eine weitere Aufführung
des Stückes. Diese Bühnenarbeit eröffnete ihm
dann auch die Chance, seinen ersten Film zu drehen.
Im Moment unterstützt Hoffman in Boise den Bau eines drei
Millionen Dollar teuren Amphitheaters. Kein Wunder, daß
Hoffmans achter Film die Adaption von Ein Sommernachtstraum
ist. "Ich habe immer gespürt, daß dieses Stück
für mich ein Segen ist", sagt er.
Produzentin Leslie Urdang ist die Gründerin von New York
Stage and Film, einem anerkannten Workshop- und Produktionszentrum
in Manhattan. Bei von ihr organisierten Aufführungen haben
diverse Cast-Mitglieder wie Calista Flockhart, David Strathairn,
Roger Rees, Bill Irwin und Sam Rockwell auf der Bühne gestanden.
Als Kind tanzte Urdang die Rolle einer Elfe in George Balanchines
Ballettfilm von 1966, der auf Shakespeares Stück basiert.
Leslie Urdang betont, daß Ein Sommernachtstraum
ein Dauerbrenner bei Schulinszenierungen ist. Es ist das Shakespeare-Stück,
von dem alle glauben, es zu kennen.
"Egal, wen man trifft: Jeder scheint schon mal bei einer
Aufführung von 'Ein Sommernachtstraum' mitgespielt zu haben",
erklärt sie. "Egal, ob es ein Schauspieler ist oder
ihr Zahnarzt, der als kleiner Junge im Sommercamp auf der Bühne
stand - es ist schließlich das Shakespeare-Stück,
in das man Kinder mitnehmen kann. In mancherlei Hinsicht ist
Ein Sommernachtstraum genauso populär wie Der
Zauberer von Oz."
Hauptrollen
Als sich Hoffman und Urdang vor mehr als zwei Jahren zum ersten
Mal zusammensetzten und über die Verfilmung von Ein
Sommernachtstraum sprachen, stellten sie fest, daß
sie bei ihren Besetzungswünschen ähnliche Vorstellungen
hatten. Urdang war überzeugt, daß Michelle Pfeiffer
und Kevin Kline ideal wären.
Hoffman stand mit Kevin Kline seit den gemeinsamen Dreharbeiten
zu Lieblingsfeinde - Eine Seifenoper in Kontakt. Und
nachdem er mit Michelle Pfeiffer (Foto, rechts) und George Clooney Tage
Wie Dieser... gedreht hatte, stimmte Hoffman Leslie Urdang
zu, daß Michelle Pfeiffer perfekt sei.
"Wer könnte Titania, die Königin der Elfen, besser
spielen als Michelle Pfeiffer?" sagt Hoffman. "Bei
diesem Talent und dieser außergewöhnlichen, zarten
Schönheit..." Nur sechs Wochen später präsentierte
er ein fertiges Drehbuch.
Ansiedlung der Handlung
Shakespeare hatte die Handlung von Ein Sommernachtstraum
ursprünglich in einer sehr englischen Deutung des antiken
Griechenlands angesiedelt, um den elisabethanischen Zuschauern
ein Gefühl von Nähe zu vermitteln. Hoffman lag es ebenfalls
am Herzen, daß sein Kinopublikum mit dem Schauplatz vertraut
ist. Deshalb verlegte der Italienkenner den Ort der Handlung
in die Toskana und siedelte die Geschichte um die Jahrhundertwende
an. Eine Zeit, in der die Aristokratie nach klar umrissenen Regeln
lebte.
"Zu dieser Zeit verschwanden langsam die Vatermörder-Kragen
und Korsetts. Gesellschaftliche Vorschriften weichten etwas auf",
sagt Urdang. "Das Fahrrad, das in Michael Hoffmans Drehbuch
eine wichtige Rolle spielt, war damals gerade neu erfunden worden.
Die Menschen erlebten eine neue Form von Freiheit, was das Reisen
anging. Sie waren nicht mehr in einer Kutsche eingeschlossen."
"Außerdem spielt unsere Geschichte in Italien",
ergänzt Urdang. "Die italienische Kultur ist von Leidenschaften
geprägt. Man liebt dort das Essen, das Leben auf dem Land
und all die anderen Dinge, die Naturverbundenheit symbolisieren."
- "Also fielen alle Hüllen, als wir in den Wald gingen",
faßt Anna Friel trocken zusammen.
Titania und Bottom - Kevin Kline als Esel
Die wichtigsten Szenen während der ereignisreichen Nacht
im Wald sind jene zwischen Titania und Bottom. In der Begegnung
dieser beiden Figuren fand Hoffman das emotionale Herzstück
seines Films.
"Bottom ist eine der komischsten Figuren von Shakespeare",
erklärt Kevin Kline. "Er ist der Prototyp eines effekthaschenden
Schauspielers. Er will jeden Part selbst spielen und hält
sich für Gottes Geschenk an das Theater. Etwas von Bottom
steckt in jedem Menschen, der schon einmal auf der Bühne
stand. Es ist eine Traumrolle für jeden Schauspieler, weil
diese kindliche Leidenschaft zur Illusion jeden von uns antreibt."
"Andererseits besitzt Bottom auch die Seele eines echten
Künstlers", ergänzt Kevin Kline. "Er liebt
es, der Realität seines Lebens zu entfliehen. Er liebt es,
etwas Nobles und Schönes in sich selbst zu entdecken."
Bottom erlebt dieses Über-sich-hinaus-wachsen bei seinem
Stelldichein mit Titania, der Königin der Elfen. "Michael
hat die Liebesgeschichte zwischen Bottom und Titania völlig
neu interpretiert", sagt Urdang. "In seiner Version
verliebt sich Bottom tatsächlich in Titania."
"Was wäre, wenn Bottom, der König der Schmierendarsteller,
nur deshalb an seine eigene Größe glaubt, weil es
in seinem Leben keine Liebe gibt?" stellt Hoffman zur Diskussion.
"Deshalb habe ich für ihn eine Geschichte geschrieben
- die eines Lebens voller Enttäuschungen. Er ist in einer
unglücklichen Ehe gefangen."
"Wahrend Michael das Drehbuch schrieb und Kevin Kline als
Bottom vor Augen hatte, entwickelte er den Typus eines Italieners,
wie ihn Marcello Mastroianni womöglich gespielt hätte",
erklärt Urdang. "Er ist ein Mann, der seine tief im
Inneren verborgene Würde erst durch die Liebe findet."
Michelle Pfeiffer beschreibt, daß auch Titania Eheprobleme
zu schaffen machen - was ihre Leidenschaft für Bottom erklärt.
"Titania und Oberon sind Königin und König",
sagt sie. "Sie müssen nach starren Regeln leben. Titania
und Bottom unterliegen diesen Verpflichtungen nicht. Die Einfachheit
ihrer Beziehung ist für Titania sehr befreiend."
Um sicherzugehen, daß er Kevin Klines Minenspiel in den
Szenen mit Michelle Pfeiffer einfangen konnte, ließ Hoffman
den Maskenbildner Paul Engelen einen neuen Look für Bottom
kreieren. Nach seiner Verwandlung trägt Bottom lange Eselsohren,
und seine Wangen sind pelzig behaart. "Seit Jahrhunderten
setzt man Bottom einen Eselskopf auf, unter dem er als Figur
verschwindet", erklärt Hoffman. "Mit Pauls Make-up
bleibt Kevin Kline er selbst - und sehr präsent."
"Als Esel ist Kevin wirklich zum Anbeißen",
erzählt Michelle Pfeiffer augenzwinkernd. "Das fanden
alle Frauen am Set."
Dreharbeiten
Zu Beginn der Dreharbeiten wurden die Szenen aufgenommen, in
denen Bottom mit seinen nicht weniger dilettantischen Handwerkerkollegen
für die Aufführung der Tragödie "Pyramus
und Thisbe" probt, die sie bei Theseus' Hochzeit darbieten
wollen. "Ich kannte viele der Jungs vom Theater und habe
schon früher mit ihnen zusammengearbeitet", erklärt
Kline. "Deshalb stellte sich sofort ein Gemeinschaftsgefühl
ein." Hoffmans Ziel war es, jene Szenen humorvoll zu inszenieren,
andererseits aber unterschwellig anklingen zu lassen, daß
es darin auch um Bottoms Verlust an Würde geht. Und wieder
lieferte Italien den Schlüssel zu dieser Interpretation.
"Ich habe früher in einer Stadt in der Toshana gelebt",
sagt Hoffman. "Und ich erinnere mich daran, daß ich
einmal auf der Piazza saß und vier oder fünf Männer
mittleren Alters beobachtete, die in einer Bar an einem Tisch
Karten spielten. Man spürte, daß diese Männer
seit ihrer Kindheit in dieser Stadt lebten und schon ewig Freunde
waren. Diesen Eindruck sollte unsere Schauspieltruppe auch vermitteln.
Diese Leute stehen alles andere als auf der Gewinnerseite, halten
aber zusammen und wollen das Stück um jeden Preis aufführen.
Und tatsächlich gelingt es ihnen, etwas auf die Beine zu
stellen. Ich finde das sehr bewegend."
Um die Szenen in den Griff zu bekommen' in denen die beiden
Liebespaare in den Wald fliehen und verzaubert werden, mußte
Hoffman ein weiteres Problem lösen. "Ich selbst habe
Lysander und Demetrius gespielt", sagt er, "und deshalb
kenne ich die Schwierigkeiten, sich als Liebespaar auf der Bühne
gegen die Handwerker, die alle Lacher auf ihrer Seite haben,
und die zauberhaften Elfen zu behaupten. Wie kann man verhindern,
daß man da nur blaß und unbedarft wirkt? Als wir
darüber nachdachten, kamen uns die Fahrräder zu Hilfe.
Sie sind schwer zu beherrschen und an sich schon so komisch,
daß man als Schauspieler gar nicht viel tun muß,
um in diesen Szenen Wirkung zu zeigen."
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