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Der Gigant aus dem All
Produktionsnotizen
1968 veröffentlichte der britische Hofdichter Ted Hughes
(1930-1998) das Kinderbuch "The Iron Man" (USA: "The
Iron Giant"; BRD: "Der Eisenmann" als Fischer-Taschenbuch).
Es entstand aus einer Geschichte, mit der Hughes seine beiden
Kinder tröstete, nachdem ihre Mutter, die amerikanische
Dichterin Sylvia Plath (1932-1963), gestorben war.
1986 wollte Rocklegende Pete Townshend (Mitbegründer der
Band The Who) einen weiteren "Song-Zyklus
in der Art von 'Tommy'" schreiben und wählte Hughes'
Buch als Vorlage. Drei Jahre später war das Album "The
Iron Man" fertig, und 1993 hatte die Bühnenversion
in London Premiere.
Der engagierte Theaterproduzent und -regisseur Des McAnuff hatte
mit Townshend schon "Tommy" auf die Bühne gebracht
und dafür etliche Tonys eingeheimst. Er war überzeugt,
dass "The Iron Man" auch für die große
Leinwand geeignet war. Und so landete das Projekt schließlich
bei Warner Bros.
Ende 1996 befand sich das Filmprojekt "The Iron Man"
in der Vorbereitungsphase. Gleichzeitig entwickelte der bekannte
Zeichentrickregisseur Brad Bird ein Projekt für Turner Feature
Animation, als Turner mit Warner Bros. fusionierte. Bird hatte
mit Fernsehserien wie "The Simpsons" und
"King of the Hill" Meilensteine gesetzt - sein
Ruf als kraftvoller Innovator des derzeit wieder sehr populären
Zeichentrickgenres eilte ihm voraus.
Bird hatte außerdem "Family Dog" /
Armer Köter geschrieben, inszeniert und co-produziert
- der Film lief als eine Episode in Steven Spielbergs TV-Serie
"Amazing Stories" / Fantastische Geschichten.
Nachdem die Vereinigung der Konzerne Turner und Warner Bros.
unter Dach und Fach war, lud man Bird ins Studio der Warner-Bros.-Animation
ein - wo einst Pioniere des Zeichentricks wie Friz Freleng und
Chuck Jones gewirkt hatten -, um die Arbeit an einem gemeinsamen
Projekt zu diskutieren.
Vor Ort sichtete Bird Entwürfe für Projekte, die bei
Warner entwickelt wurden. Unter ihnen entdeckte er die Zeichnung
"eines kleinen Jungen mit einem riesigen Roboter. Das Bild
ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Später wurde dann das
Turner-Projekt zu den Akten gelegt, und die Warner-Kollegen fragten
mich, ob mich eine ihrer Ideen interessierte. Ich kannte Ted
Hughes' Buch, mir gefiel der mythische Kern der Geschichte außerordentlich.
Aber meine eigenen Vorstellungen bewegten sich in eine völlig
andere Richtung. Ich stellte ihnen also meine Version des ,Iron
Giant' vor - und ich bekam den Zuschlag".
In Birds Fassung der Hughes-Geschichte tauchen alle Hauptfiguren
wieder auf, aber er verpasste dem 30 Jahre alten englischen Kinderbuch
einen entschieden amerikanischen Dreh - speziell die Beziehung
zwischen Hogarth und dem Giganten.
Dazu erklärt Bird: "Das Buch erzählt eine wunderbare
Geschichte, die den Kindern den Kreislauf des Lebens nahe bringen
will: Der Tod ist zwar eine Tatsache, aber das Leben geht dennoch
weiter. Meine Version dreht sich allerdings eher um die Schlüsselfrage,
die ich den Managern bei Warner Bros. stellte: Was wäre,
wenn eine Waffe eine Seele hätte und sich entscheiden würde,
ihr tödliches Geschäft aufzugeben? In den Grundzügen
bin ich dem Buch treu geblieben, aber ich wollte den Schwerpunkt
etwas verschieben."
Bei der Umsetzung des Drehbuchs arbeitete Bird mit Autor Tim
McCanlies zusammen. Dazu Bird: "Die Zusammenarbeit an 'Der
Gigant aus dem All' war für uns beide eine tolle Erfahrung.
Ich schätze Tims Talent, seit ich sein Drehbuch 'Second
Hand Lions' gelesen habe. In dem Moment wusste ich, dass ich
gar keinen besseren Autor zur Ausarbeitung meiner Kinoversion
finden konnte. Die Anmut und Unschuld in Tims Texten korrespondiert
hundertprozentig mit dem, was unseren Film ausmacht."
Während der Produktion schickten die Filmemacher das Drehbuch
auch an Ted Hughes. In seinem Antwortbrief drückte der Autor
seine Begeisterung über Birds Fassung aus. Hughes formulierte
das ziemlich poetisch: "Ich möchte Ihnen mitteilen,
wie sehr mir gefällt, was Brad Bird geschaffen hat. Sein
Werk ist aus einem Guss, die unheimliche Spannung steigert sich
auf wunderbare Weise, und das glorreiche Ende fand ich ganz erstaunlich.
So wie er den 'Eisenmann' bearbeitet, entsteht eine atemberaubend
dramatische Situation. Sie will mir gar nicht mehr aus dem Kopf
gehen..."
Ort und Zeit
Bird veränderte Hughes' Geschichte, indem er wichtige neue
Figuren einfügte, den Schauplatz verlegte und dem Riesen
eine neue Vorgeschichte verpasste. Dazu erklärt er: "Jetzt
spielt das Ganze im Amerika des Jahres 1957. Es geht um Themen
wie die Hysterie des Kalten Krieges, neu hinzu kommen Figuren
wie der Beatnik Dean und der Regierungsagent Kent Mansley. Und
der Riese kommt aus dem Weltall, während er im Original
einfach aus dem Meer auftaucht."
Den Wechsel von Handlungszeit und -ort hatte Bird zuvor sorgfältig
abgewogen: "Als Hintergrund für einen Film eignen sich
die 50er Jahre einfach ganz traumhaft. Amerika stand am Scheideweg:
Wir mussten lernen, mit der Atombombe zu leben; der Wettlauf
um die Vorherrschaft im All kam gerade in Gang; Misstrauen und
Verfolgungswahn steigerten sich ins Extrem; und all das spiegelt
sich in den Filmen dieser Zeit... Riesenameisen und mutierte
Marsmenschen. Diese Reaktion auf das Zeitgeschehen wirkt höchst
komisch. Wenn es also um die Freundschaft eines Menschenjungen
zu einem Mann aus Metall geht, dann liegt es doch nahe, die Story
der beiden in diesem damals dominierenden Klima der Angst anzusiedeln."
Mitten in Maine
Bird weiter: "Der Bundesstaat Maine ist eine ländliche
Region. Es erscheint reizvoll, einen riesigen technischen Apparat
mitten in die Felder und Wälder zu setzen - das große,
glänzende Ding aus Metall wirkt dort völlig fehl am
Platz. Die Gegend wird von einer gewissen Unschuld geprägt,
von einem Milieu, wie es der Maler Norman Rockwell in seinen
Bildern kreiert, und mir gefiel die Idee, jene Unschuld mit Paranoia
zu infizieren."
Waffe mit Seele
Der Schlüssel zur filmischen Umsetzung von "Der Eisenmann"
liegt im ursprünglichen Auftrag des Riesen verborgen: Egal
woher er kommt - zweifellos ist er als Waffe konzipiert... eine
Kanone mit Seele.
"In unserer Version ist praktisch der Junge der Vater und
der Gigant das Kind. Ich glaube, in uns allen steckt das Potential,
sowohl Gutes zu tun als auch schreckliche Dinge anzurichten.
Täglich müssen wir in wichtigen und in banalen Fragen
die Entscheidung treffen, welcher Seite in uns wir den Vortritt
lassen. Hogarth hilft der Maschine - die zu einem anderen Zweck
konstruiert worden ist -, an sich selbst neue Seiten zu entdecken,
sich gewissermaßen zu einem Menschen zu entwickeln",
sagt der Regisseur abschließend.
Ende 1996 präsentierte Bird seine Idee in der Chefetage
bei Warner Bros. Der Vertrag wurde unterzeichnet, und die Arbeit
an "Der Gigant aus dem All" begann am 2. Januar
1997...
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