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Helden wie wir


Die DDR erzählt sich selbst

Szene "Helden wie wir" taucht ab in eine untergegangene Gesellschaft, die gerade mal seit zehn Jahren verschwunden ist. Darum besteht das Publikum in diesem Fall ausschließlich aus Fachleuten. Was den Zwang bedeutet, die DDR rein äußerlich haargenau zu rekonstruieren.

Das geschieht im Film auf besonders reizvolle Weise durch die Verschmelzung von inszenierten Szenen mit historischem Material: Super-8, Video, öffentliche wie private Filmaufnahmen. Damit ist eine große Authentizität garantiert.

Das historische Material liefert im Film zudem den Kommentar, den im Buch Klaus Uhltzscht als Erzähler gibt. So wird etwa das dumpfe Spießertum, das in der DDR Staatsdoktrin war, visuell spannend und sinnlich erfahrbar. Kein akustischer Kommentar - eine Off-Stimme beispielsweise - käme dem gleich.

Die Momentaufnahmen, zum Beispiel DDR-Fernsehnachrichten, atmen mitunter eine geradezu phantastische Irrealität. Dabei sind sie nichts anderes als ungeschminkte Zeugnisse des sogenannten "realen Sozialismus'".

"Die DDR erzählt sich selbst" - hinter diesem Slogan verbirgt sich also ein Verweis auf Stilistik und Geschichte des Films. Und eines sei nicht vergessen: Das heutige Bild der DDR wird von zwei verschiedenen Erinnerungen geprägt - der östlichen und der westlichen. Diese zwei Sichten bekommen durch die formale Gestaltung, zumindest für diesen Film, immerhin einen gemeinsamen Focus.

Darüber hinaus ist die ungewöhnliche Form auch sehr unterhaltsam. Und unterhaltsam soll "Helden wie wir" als erstes sein, um ein möglichst großes Publikum anzusprechen. Die Story ist dafür ideal, schließlich wird eine Geschichte von übergreifendem Interesse erzählt, die Geschichte eines Erwachsenwerdens in direktem wie übertragenem Sinn.

Wichtig für die Wirkung eines Kinofilms, der traditionelle Erwartungen an eine Filmerzählung bedienen will, ist für die Zuschauer die Möglichkeit der Identifikation mit mindestens einem der Protagonisten. Die Figur des Klaus Uhltzscht' eignet sich dafür hervorragend. Denn einerseits fällt er aus dem Rahmen, weil er nicht mit Widerstand auf die etablierte Erwachsenenwelt reagiert, sondern mit Übererfüllung der Normen. Das ist ganz untypisch und somit aufregend.

Damit wird er zu einem Tor, der allerdings nicht tumb ist. Andererseits hat sein Verhalten in wahnwitziger Gründlichkeit derart viel "typisch Deutsches", daß die Identifikation sofort Irritation auslöst - und damit eine außerordentlich komplexe Wirkung.

Somit bleibt der Film sehr dicht an der Romanvorlage. Der Klaus Uhltzscht des Buches löste ja bei Lesern, die in der DDR gelebt haben, immer die Reaktion aus: "So war's!" Und auch die in der BRD Aufgewachsenen hatten über die Figur des Anti-Helden viele "Aha"-Effekte, Assoziationen zu Formen der Anpassung oder des Widerstandes, die sie mitgemacht haben.

Erleichtert wird der Zugang zur Hauptfigur und zum Film vor allem durch die Komik. Klaus Uhltzscht, durchaus vergleichbar mit Forrest Gump, wirkt schon allein deshalb komisch, weil sein verbissenes Bemühen, sein Wunsch, richtiger zu sein als richtig, gnadenlos zum Scheitern verurteilt ist. Eine Komik, von der schon die Figuren eines Buster Keaton zehrten.

Dazu kommt die oft absurde Situationskomik - in vielen inszenierten Szenen, in manchen historischen Aufnahmen und natürlich im Zusammenspiel von beiden. So erwächst - wie in jeder guten Komödie - das Lachen immer auch aus dem Wissen um die tragischen Hintergründe.

Eine Frage stellt sich im Fall einer Literaturadaption immer: War der Weg vom Buch zum Film ein verlustreicher? In diesem Fall war er ohne Zweifel ein anstrengender, vor allem für Thomas Brussig. Schließlich hatte er mit dem Roman für sich die ideale Form der Erzählung gefunden. Doch er war, gemeinsam mit Sebastian Peterson und Markus Dittrich, in der Lage, die Geschichte für den Film noch einmal neu zu fassen, zu denken, zu entwerfen. Es entstand auch eine neue Geschichte, denn das Buch, ein Monolog, war nicht eins-zu-eins auf die Leinwand übertragbar.

Selbstverständlich wurde weder am Gehalt noch am Humor des Buches etwas verändert, an der Struktur aber einiges. Zum Beispiel steht im Film die Liebesgeschichte im Zentrum, die von Regisseur Sebastian Peterson in eine ganz eigene Bildsprache übersetzt wird. Peterson verfügt über das außerordentliche Talent, Visionen zu entwerfen und umzusetzen. Er beherrscht, was für den Film "Helden wie wir" unabdingbar ist, die Kunst des kinematographischen Erzählens.

Gedreht wurde in Berlin und Leipzig, im März und im April 1999.


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