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Cookies Fortune - Aufruhr in Holly Springs
Produktionsnotizen
Besetzung
Altmans Markenzeichen war es schon immer, daß er seine
Besetzung fast musikalisch aufeinander abstimmt: Er inszeniert
Figuren wie Themen, und jede Szene gerät zu einer Komposition
aus verschiedenen Soli. "Ensemblefilme sind keine Herausforderung
für einen Regisseur", stellt er klar, "aber sie
sind Gold wert, vor allem, wenn man es mit begnadeten Schauspielern
von diesem Kaliber zu tun hat."
Altman hat sich durch seine gute Zusammenarbeit mit Akteuren
längst zur Legende innerhalb des Metiers gemacht. Die Chance,
beim neuesten Altman dabei sein zu können, griff jeder Schauspieler
von Cookies Fortune sofort beim Schopf. Als man Liv
Tyler am Set der britischen Produktion Eugene Onegin
kontaktierte, sagte sie umgehend zu, die junge, verletzliche
Emma zu spielen, die von Cookie nicht nur die ruhelose Natur
geerbt hat.
"Die Gelegenheit, mit Robert Altman zu drehen, war eine
der Hauptattraktionen des Films", bestätigt auch Chris
O'Donnell. "Sein Umgang mit Schauspielern ist großartig.
Er legt eine Szene so groß wie möglich an und erarbeitet
dann mit dir diese kleinen Details, die eine Figur so besonders
machen."
Altman und Rapp hatten schon früh bei der Entwicklung des
Stoffs den Schauspieler Charles S. Dutton als Cookies schwarzen
Hausmeister vor Augen. Dutton selbst zeigte sich eher erstaunt
über solch eine Besetzung gegen seinen Typ: "Ich mußte
mich beim Drehen ständig überprüfen, ob ich nicht
überziehe. Es ist wirklich eine physische Herausforderung,
nicht zu reagieren. Für Willis mußte ich "sanft"
spielen, eine Art easy style entwickeln. Ich malte mir immer
einen alten Bluessänger aus, mit trägen Kadenzen in
Sprache und Lebensart. Also, im wesentlichen spielte ich Willis
als alten Bluesänger ohne Song."
Abgerundet wird die erlesene Besetzung durch Donald Moffat als
Holly Springs' einzigem Anwalt, der dadurch zur unerschöpflichen
Schatzkammer sämtlicher Stadtgeheimnisse wird, und Courtney
B. Vance (Foto), dem opportunistisch-linkischen Kommissar aus Batesville.
Neben Ned Beatty als Polizist und Anglerfreund gibt es auch
ein Wiedersehen mit der Leinwand- und Theaterlegende Patricia
Neal in der Titelrolle, die für Der Wildeste unter Tausend
mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Dutton, der mit Neal die
meisten Szenen gemeinsam zu drehen hatte, zeigt sich entzückt
von der Einfühlsamkeit seiner Partnerin: "Ich kenne
nur wenige Schauspieler, die sich so wahrhaftig mit dem Spiel
ihres Gegenübers auseinandersetzen. Sie fragte mich immer,
was ich von ihr in einer Szene brauchte. Ihre Hingabe hat mir
sehr beim Ausdruck meiner Figur geholfen."
Zum vierten Mal ist auch Altman-Veteran Lyle Lovett (Foto) mit von
der Partie, der über seinen Lieblingsregisseur berichtet:
"Er hat dieses Fingerspitzengefühl für die Ticks
seiner Figuren. Das kommt nicht nur in der Aktion zum Tragen,
sondern eher, wenn sie nichts zu tun haben."
Um für seinen Film die richtige Mischung aus südstaatlicher
Vornehmheit und rauhem Delta-Blues zu finden, wandte sich Altman
an die Rock-Ikone David A. Stewart. Als die eine Hälfte
des Pop-Duos The Eurythmics erlangte Stewart Weltruhm; weniger
bekannt ist, daß er auch als Musikproduzent von Rocklegenden
wie Mick Jagger, Bob Dylan und Bryan Ferry fungiert, Songs zu
Filmen wie etwa 1984 und Der Vogel auf den Drahtseil
beisteuerte und die Musik zu den Ted Demme-Filmen No Panic
- Gute Geiseln sind selten und Beautiful Girls
sowie Paul Verhoevens Showgirls komponierte.
Stewart ist ein leidenschaftlicher Anhänger des Blues,
insofern war er auch der richtige Mann als Produzent bei der
Dokumentation Deep Blues, die sich eingehend mit Geschichte
und Erbe des Delta-Blues' auseinandersetzte.
Für die Besetzung der Musiker Theo und Josie in seinem
Film mußte Robert Altman nicht lange suchen: In Memphis'
berühmter Beale Street, rund 50 Kilometer nördlich
von Holly Springs, fand er Rufus Thomas und Ruby Wilson. Altman
nahm Wilsons Auftritt bei der Feier zum Drehbeginn von Cookies
Fortune auf und schickte das Band Stewart nach London. Für
Regisseur und Komponist war es danach keine Frage mehr, daß
die Sängerin nicht nur über Josies frech-glutvollen
Stil verfügte, sondern auch über das stimmliche Volumen,
das besonders für den Song "Comin' Home" erforderlich
war.
Drehorte
Mehrere Wochen lang durchkämmten Set-Scouts das Mississippi-Delta,
bevor sie eher zufällig auf das pittoreske Städtchen
Holly Springs trafen. Schon durch seine Geschichte machte es
sich zum perfekten Drehort, denn Holly Springs war eines der
Zentren der Baumwoll-Verarbeitung und ist obendrein die Heimatstadt
von nicht weniger als dreizehn Generälen der Konföderation.
Unverändert weist der Stadtkern noch heute den romantischen
Stil der Südstaaten-Städte vor dem Bürgerkrieg
auf. Um den äußerst fotogenen Hauptplatz verteilen
sich strahlenförmig über 60 Prachtvillen im unvergleichlichen
Südstaaten-Stil mit den traditionell hohen Säulen am
prunkvollen Eingangsportal.
Eine dieser Villen schien sich regelrecht aus dem Drehbuch heraus
materialisiert zu haben: das klassische Pastell hatte schon Patina
angelegt, die schweren Tapeten lösten sich von den hohen
Wänden, die Möbel und Draperien waren muffig und verstaubt
- genau die richtige Umgebung für die schrullige Cookie.
"Die Villa gehörte einmal einer alten Dame, die unserer
Cookie gar nicht unähnlich war", erzählt Produktionsdesigner
Stephen Altman begeistert. "Sie hatte keine Kinder und hinterließ
den ganzen Besitz ihrer 12jährigen Nichte, deren Familie
bis heute alles so beließ, wie es nach dem Tod der Tante
war. Außen und innen war es exakt das Haus, das wir brauchten.
Sogar die Farben entsprachen genau der Palette, die wir uns vorgestellt
hatten. Die Geschichte spielt zu Ostern - eine sehr schwüle
Zeit mit ganz besonderem, Renoir-ähnlichem Licht. Alles
sieht aus, als ob es einen leichten Heiligenschein hätte."
Lebensstile und Familiengeheimnisse
Ein wichtiger Akkord im Klanggebilde von Cookies Fortune
ist der Wunsch nach kultiviertem Leben. Insofern teilt sich Holly
Springs in zwei Lager: auf der einen Seite die, die Kultur in
ihrem täglichen Leben brauchen; auf der anderen jene, die
sich gar nichts daraus machen. Glenn Close legte für ihre
Camille die Hintergrundgeschichte einer Frau an, deren Familie
zwar nach dem Bürgerkrieg ihr Vermögen verloren hat,
die sich aber immer noch an hochherrschaftliche Manieren und
den verbliebenen Besitz klammert, um so zumindest einen Rest
des Glanzes zu erhalten.
"Ich glaube, Camille hat ganz große Pläne, aber
irgendein dunkles Ereignis in ihrem Leben hält sie davon
ab, die Chance zu ergreifen," sinniert Close. "Sie
hat diesen frustrierenden Drang hin zur großen Welt, und
so lebt sie nun in der Illusion - oder dem Irrglauben - der Vornehmheit."
So geschmacklos sie es auch findet, daß jemand wie Cookie
durch Glücksspiel reich werden kann, bringt es Camille aber
ebenso zur Verzweiflung, daß Cookie sich nicht dem sozialen
Status einer vermögenden Frau anpassen will. "
Anne Rapp hat etwas sehr Wahres in diesen Charakter gelegt",
beschreibt Altman seine Beobachtungen. "Camille ist einer
dieser Menschen, die so stark an soziale Dogmen glauben, wie
andere Leute an religiöse. Es hat etwas Fanatisches. Diese
Art von südstaatlichem Familienstolz hat wahrscheinlich
ihren Ursprung in der europäischen Aristokratie, und irgendwie
kann man diese Menschen nicht gänzlich dafür verurteilen."
Cookies Tod löst in Camille gleich zwei Gefühlsregungen
aus: Zum einen glaubt sie nun die Familienehre retten zu müssen,
zum anderen bietet sich ihr die einzigartige Gelegenheit zum
sozialen Aufstieg hin zur Herrin einer großen Villa. Letzteres
wird noch vorangetrieben durch etwas, was Julianne Moore als
die symbiotische Beziehung gegenseitiger Anhängigkeit zweier
Schwestern beschreibt: "Die eine ist in ihrer Entwicklung
stehen geblieben, was die andere zu einer noch dominanteren Kraft
macht."
So antiquiert diese Ansichten auch scheinen mögen, Anne
Rapp hat die Erfahrung gemacht, daß sie gerade im Süden
der USA noch ihre Geltung haben. "Diese kleinen Städte
sind so stark durch ihre Historie geprägt, daß sie
immer noch in der Vergangenheit zu leben scheinen. Familienbesitz
und vornehme Erscheinung sind sehr wichtig. Andererseits lebt
man dort - wie Altman es ausdrückt - in "inzestuösen"
Gemeinschaften, was es sehr schwierig macht, Familiengeheimnisse
wirklich geheim zu halten."
Obwohl das Motiv der matriarchalisch organisierten Familie nicht
unbedingt nur in den Südstaaten zu finden ist, reizte Robert
Altman gerade dieses nuancierte System aus Sitten und Gebräuchen
als Hintergrund für einen Film. "Sagen wir doch mal,
wie es ist", schmunzelt der Regisseur, "Matriarchinnen
gibt es überall. Es ist ganz einfach die Wahrheit, daß
Männer arbeiten und sterben, und Frauen erben. Aber diese
Manieriertheit der Südstaaten hat einen Frauenschlag geschaffen,
den man so schnell nirgendwo anders findet. Und die Ironie in
einer kleinen Südstaaten-Stadt ist, daß einfach jeder
deine Geheimnisse kennt, man aber nicht darüber redet. Du
lebst in dem Irrglauben, du könntest deine dreckige Wäsche
verstecken, während der Nachbar schon dabei ist, sie öffentlich
am Fluß zu waschen. Das ist die Dummheit des Stolzes -
eine perfekte Oberfläche, die nicht real ist."
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