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Celebrity


Produktionsnotizen

Szene Filmproduktion und Literaturszene, Fashion-Modespektakel und Fernsehshow - man muß alles in einem Film unterbringen, man kann alles in einem Film unterbringen. Woody Allen macht es uns vor, mit seinem Opus Nr. 27, in der New Yorker Herbstsaison 1997 (Drehbeginn am 27. August, Abschluß am 14. November).

Celebrity heißt der Film, und um genau dieses Phänomen geht es auch: Wie man Erfolg haben kann in der Welt der Reichen und Berühmten - und wie man dabei nicht ganz seine Seele verliert, jene magische Fähigkeit, den anderen zu lieben und von ihm geliebt zu werden. Oder, wie Woody lapidar es formuliert: "Natürlich gibt es eine Menge Lächerlichkeiten und Oberflächlichkeit dabei, und es gilt einen gewissen Preis zu zahlen - aber die Annehmlichkeiten dabei sind gut."

Szene Ein Mann und eine Frau: Woody Allen liebt die einfachen Konstruktionen, die geradlinigen Plots. Ein geschiedenes Paar, gespielt von Kenneth Branagh und Judy Davis, zwei gegenläufige Bewegungen: Ihr Weg führt ziemlich schnurstracks nach oben, in den Ruhm, die eigene Fernsehshow, und ins Glück, zum Mann der Träume. Sein Weg führt langsam aber sicher abwärts - und je mehr Berühmtheiten und aufregende Frauen er in seinem Berufsleben als Starreporter trifft, desto leerer wird sein Leben.

Melancholie bestimmt dieses Leben. "Als ich das Skript las", erklärte Branagh, "dachte ich, es sei das düsterste, das ich je gelesen hatte." Schon deshalb war es keine Frage für Woody Allen, daß der Film in Schwarzweiß gedreht werden mußte - nicht das erste Mal, daß er auf die Farbe verzichtet. "Das stellt einen zwar vor eine Menge Probleme", sagt sein Setdesigner Santo Loquasto, mit dem er nun schon seit langem zusammenarbeitet, "aber mit Schwarzweiß kann man einfach diese Stimmung einfangen."

Szene Celebrity, das Thema verlangt natürlich nach exklusiven Schauplätzen, und auch da hat Woody Allen, der hundertprozentige New Yorker, der uns in seinem bisherigen Werk bereits gründlich mit seiner geliebten Heimatstadt vertraut gemacht hat, wieder einiges zu bieten. In diesem Film hat er sich die Pforten zu mondänen locations öffnen lassen wie dem Stanhope Hotel und dem Ziegfeld Theatre, die Serge Sorokko Gallery und der Flamingo Club, Jean-Georges Restaurant und Barbetta's Restaurant an der West 46th Street. Und in einem ehemaligen Treibhaus auf dem Dach eines Gebäudes der Fast Side hat er, mit Blick auf die 59th Street Bridge, eine irre Fashion-Show inszeniert.

Nicht gespart wurde auch an den auftretenden Personen. 242 Sprechrollen weist der Film auf, das heißt etwa so viele wie die letzten vier Allen-Filme zusammen, und 5128 Statisten sind in Aktion, etwa viermal so viele wie in seinem letzten Film Harry ausser sich. Dazu erleben wir jede Menge Auftritte von New Yorker Berühmtheiten, angeführt von Donna Hanover und Donald Trump. In dessen Marina Hotel in Atlantic City führt ein Abstecher, auf dem Leonardo DiCaprio und Kenneth Branagh das amerikanische Dolce Vita im Schnellkurs durchhecheln: mit einem abschließenden Abend im Casino.

Szene Daß Leo (Mitte) in diesem Film auftaucht in der Rolle eines wilden durchgedrehten Jungstars, ist ein kleiner, aber typischer Coup für Woody Allens Genie und Gewieftheit. Er hat ihn für diese Rolle verpflichtet, nachdem er ihn in dem kleinen Familiendrama Marvin's Room gesehen hatte, neben Meryl Streep und Diane Keaton - nur kurze Zeit, bevor die Titanic Leo zum absoluten Star machte.

"Er hat einen tollen Blick für Gesichter", erklärt Juliet Taylor Woodys besondere Fähigkeit bei der Besetzung der Rollen - seit vielen Jahren arbeitet sie als casting director für ihn. "Seit Jahren nimmt er gern die gleichen Leute immer wieder für seine Filme", erklärt sie weiter: "eine sinnvolle Praxis, nur ab und zu muß man ihn anstacheln, ein wenig über die Grenzen seiner gewohnten Clique hinauszutreten."

Der schönste Besetzungscoup von Celebrity ist vielleicht das Paar Judy Davis und Joe Mantegna - sie ist zum vierten, er zum zweiten Mal bei Woody Allen dabei. "Wenn ich mit ihm arbeite" sagt er, "dann meine ich, ich wäre ein Teil seiner Autobiographie ... es ist wie eine Odyssee."

Szene Seit langem mit von der Partie bei Woody Allen sind auch Susan E. Morse (Schnitt) und Suzy Benzinger (Kostümdesign), Richard Patrick (Regieassistent) und Santo Loquasto, der Setdesigner. Wegen der Schwarzweißphotographie mußte Benzinger bei den Kostümen stark auf Kontraste achten, im Schnitt und in den Stoffen. Die Kleidung sollte typisch newyorkerisch sein, aber auch in gewisser Weise zeitlos. "Woody wollte nicht, daß der Film altmodisch aussähe, wenn er anlief."

Den ganzen Film über vertreten ist die Kollektion von Gianni Versace, aber auch bei den Brooks Brothers und bei Giorgio Armani hat sich Benzinger kräftig bedient. Benzinger übt ihren Job mit aller Kreativität aus, das heißt, sie schafft die Rollen gleichsam mit: sich habe eine Menge über meine Figur gelernt aus der Kleidung, die sie trägt", erklärt Bebe Neuwirth, die die Prostituierte spielt.

Wegen der Schwarzweißphotographie gab es - paradoxerweise - fast nur farbige Kostüme im Film - der besseren Beherrschung der Kontraste wegen. Nur bei Leonardo DiCaprio wurde eine Ausnahme gemacht, der kam ganz in Schwarz - aber den könnte man auch, sagt Benzinger, in Sackleinwand stecken und er sähe großartig aus.

Allen Unkenrufen und Klatschmeldungen zum Trotz erwies der Youngster sich als absoluter Profi, der sich folgsam in Woody Allens Konzept einfügte. Das war schon immer des Filmemachers größte Tugend - sein intelligenter, behutsamer Umgang mit den Schauspielern.

Denen er die Rollen genau auf den Leib schreibt, denen er dennoch genügend Freiraum läßt, um Eigenes in ihre Darstellung einzubringen. Dafür sorgt schon die ganz spezielle Technik, ihnen nie das komplette Drehbuch auszuhändigen, sondern nur jene Passagen, in denen sie spielen werden. Die leichte Verunsicherung, die daraus entsteht, nutzt er für die vibrierende Atmosphäre seiner Szenen. "Das war gespenstisch", erzählte Melanie Griffith, "ich wußte während der Dreharbeiten nie, daß Kenneth Branagh und Judy Davis einmal verheiratet gewesen sind.

"Attraktiv sollte er schon sein", verlangte Woody von eben diesem "windigen" Typen Branagh - aber kein Filmstartyp: "einer, der etwas von einem Verlierertypen hatte, aber frisch und komisch genug, um weiter bei schönen Frauen anzukommen". Keine Frage, daß Branagh von der Typisierung begeistert war.

"Mir war nie wohl", erklärt Judy Davis (im Moment wohl Woody Allens allerliebste Schauspielerin, zum vierten Mal bei ihm dabei), "wenn ich ihn mit Fragen zu seinen Dialogen überstrapazierte. Ich nehme an, er hält sie für selbstverständlich - und meint, daß es den Prozeß des Schauspielens beeinträchtigen könnte, wenn er zu viel darüber erklärt."

Was oft beim "intellektuellen" Filmemacher Woody Allen übersehen wird (kein Wunder vielleicht bei der Süffigkeit seiner Dialoge): er ist durchaus ein sinnlicher, ein Augen- und Ohrenmensch. Das sieht man schon daran, daß er sich immer die allerbesten Kameraleute leistet - in diesem Film wieder einmal Sven Nykvist, der legendär wurde durch seine jahrelange Zusammenarbeit mit Ingmar Bergman (ein Woody-Allen-Idol), und das hört man an den vielen schönen alten Songs, die mal wieder auf dem Soundtrack dahinperlen, verschwenderisch, schwermütig in die Handlung eingebaut - von Billie Holidays "Did I Remember" und Gershwins "I Got Rhythm" bis "The Impossible Dream" oder "That Old Feeling".

Man kann alles unterbringen, man muß alles unterbringen in einem Film. Berühmtheit ist ein Phänomen, das man nie erklären, das man immer nur aufs neue illustrieren, vorführen kann. Vielleicht ist auch so der berühmte Spruch von Andy Warhol zu verstehen, den Woody Allen in diesem Film zitiert: daß irgendwann in naher Zukunft jeder von uns für etwa fünfzehn Minuten eine Berühmtheit sein wird.


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