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Mit Aller Macht
Die Besetzung und die Story
Nahezu umgehend nach Erwerb der Filmrechte konnte der Regisseur
den zweifachen Oscar-Gewinner Tom Hanks für die Hauptrolle
des Jack Stanton begeistern. Mit ihm an Bord fiel es Nichols
nicht schwer, Universal als Studio für die Politsatire zu
begeistern, die sich auch gleich die Dienste des Filmemachers
als Regisseur und Produzenten sicherte.
Der heuerte Elaine May als Drehbuchautorin an, die gemeinsam
mit Nichols mehr als 40 Jahre zuvor Triumphe als Komödiantenpaar
gefeiert und für ihn nach jahrelanger Pause der gemeinsamen
Arbeit bereits das Skript zu The Birdcage verfaßt
hatte.
Nichols war begeistert von ihrer Fassung von Mit Aller
Macht - aber Tom Hanks, ein guter Freund von Bill Clinton,
bekam kalte Füße, weil er sich nicht so recht als
Weiberheld vorstellen konnte. Als sich auch noch terminliche
Engpässe ergaben, sagte er Nichols ab. Der spielte kurzfristig
mit dem Gedanken, die Rolle Mel Gibson oder Liam Neeson anzubieten,
entschied sich dann aber, einen Amerikaner in der Rolle des
Präsidentschaftskandidaten zu besetzen.
John Travolta erwies sich als Glücksgriff. Mike Nichols
sagt: "Ich hatte John noch nie getroffen, und ich war erstaunt.
Er ist nicht einfach 'John Travolta', er ist eine ganz andere,
viel belesenere, komplexe Person. Als wir uns kennenlernten,
umarmte er mich. Das war sein Hallo. Er ist ein großartiger
Politiker. Wie Stanton verfügt er über das bemerkenswerte
Talent, umgehend den Funken auf Gruppen jeglicher Größe
überspringen zu lassen."
Bei zwei weiteren Hauptrollen hatte Nichols weniger Hemmungen,
Nicht-Amerikaner zu besetzen: Oscar-Gewinnerin Emma Thompson
wurde als Jack Stantons Ehefrau Susan verpflichtet, der britische
Bühnenstar Adrian Lester sollte die Rolle des jungen Wahlkampagnen-Managers
Henry Burton übernehmen, aus dessen Sicht der Film erzählt
wird.
Um sich auf die Rolle vorzubereiten und sich das nötige
Grundwissen über das amerikanische Politsystem anzueignen,
studierte Lester die Karriere des verstorbenen Ray Brown, eines
frühen schwarzen Weggefährten Clintons, und las "The
Power Game: How Washington Works" von Hedrick Smith.
Emma Thompson, die zunächst zögerte, die Rolle einer
Amerikanerin anzunehmen, die Aufgabe dann aber als echte Herausforderung
ansah, als sie das Drehbuch von Elaine May genau gelesen hatte,
stimmte sich mit dem Buch "Politics for Dummies" und
D.A. Pennebakers Dokumentation "The War Room" über
den Politstrategen James Carville und dessen Arbeit an Clintons
Kampagne 1992 auf ihren Part ein.
Auch Billy Bob Thornton hatte zunächst Vorbehalte, die
Rolle des Carville-artigen Kampagnenspezialisten Richard Jemmons
zu übernehmen, weil ihn ein enges Band der Freundschaft
mit Präsident Clinton verbindet. Erst als er sich dessen
Okay eingeholt hatte, willigte er ein. Kathy Bates war bereits
beim Schreiben des Romans Joe Kleins Wunschkandidat für
die Rolle der Libby Holden, und auch Mike Nichols befindet, daß
wohl keine andere Schauspielerin der Welt für diese Rolle
in Frage kommen könnte.
Zuletzt fahndete Nichols nach einem Darsteller für den
Stanton-Konkurrenten Picker. Ursprünglich wollte er Jack
Nicholson für den Part gewinnen, der bereits viermal in
Filmen des Regisseurs mitgewirkt hatte. Da aber die Figur der
Libby Holden im Mittelpunkt des letzten Akts stehen sollte, verzichtete
Nichols auf den Superstar und wählte mit Larry Hagman einen
weniger populären Darsteller, um die Geschichte nicht aus
dem Gleichgewicht zu werfen.
Lange feilten Nichols und May an der endgültigen Fassung
des Drehbuchs. Schweren Herzens trennten sie sich von zwei illustren
Nebenfiguren des Romans und stellten einige Handlungsentwicklungen
um. Als im Frühjahr die Nachricht die Runde machte, die
im Buch thematisierte Affäre zwischen Susan Stanton und
Henry Burton würde sich im Film nicht finden, mutmaßten
einige Zeitungen, die Szene sei von den Filmemachern ausgelassen
worden, um das Ehepaar Clinton in einem besseren Licht zu zeigen.
Tatsächlich hatte Nichols die Szene gedreht und im ursprünglichen
Schnitt von Mit Aller Macht untergebracht. Als das Publikum
bei Testvorführungen allerdings irritiert reagierte, entfernte
der Regisseur die Sequenz.
Emma Thompson meint: "Eine blendende Entscheidung, denn
dadurch geht es nicht mehr um Sex, sondern um Zuneigung - und
das ist viel gefährlicher. Als ich den Film ohne die Szene
sah, machte die darauffolgende Szene, in der Susan Henry ignoriert,
emotional viel mehr Sinn. Die Geschichte impliziert dadurch,
daß etwas wesentlich Tiefgründigeres in Susan vorgeht,
als wenn sie mit ihm geschlafen hätte. So behält sie
die totale Kontrolle über sich selbst und hält jede
Emotion in Schach, die in ihr brodeln könnte.
Das ist interessanter."
Als besonders diffizil erwies sich auch der ursprünglich
geplante, ambivalente Schluß des Films, in dem Nichols
offenläßt, ob Henry Burton im Team der Stantons bleibt
oder nicht. Das Publikum zeigte sich unzufrieden mit dieser Auflösung
der Geschichte, also trommelte Nichols sein Team im Januar 1998
noch einmal zusammen, um einen neuen Epilog zu drehen. Um Henrys
Entscheidung pro oder contra Stanton so glaubwürdig wie
möglich zu machen, wandte Nichols sich an George Stephanopoulos,
den Wahlkampf-Manager Clintons, nach dessen Vorbild Henry Burton
entstanden war. Der zögerte keine Sekunde: "Natürlich
bleibt Henry bei Stanton - er will ja schließlich wissen,
wie alles weitergeht."
Auf die Frage, wie wichtig ihm die unübersehbaren Parallelen
zu dem echten Bill Clinton seien, antwortet Nichols salomonisch:
"Mein Lieblingszitat eines Zuschauers bei der ersten Testvorführung
war: "Zum Brüllen, brillant beobachtet, erinnert mich
an die Clintons." Das Publikum kann durchaus zwischen Realität
und Film trennen. Für die Kinogänger ist es nur eine
Geschichte - und das ist gut so, denn mehr wollten wir nicht
erreichen."
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