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Pecker

Dreharbeiten


Szene Wie jede von Waters' Kinoarbeiten seit dreißig Jahren wurde PECKER in Baltimore gedreht, wo er mit einem festen kreativen Team um Produktionsdesigner Vincent Peranio oder Kostümbildnerin Van Smith arbeitet und einst auch Divine entdeckte. "Beim PECKER-Dreh war es besonders großartig", sagt Waters, "mit dem Bezirk Hampden eine innerstädtische Gegend Baltimores als Kulisse zu nehmen, die uns reale Geographie bot und nie von einer Filmproduktion genutzt wurde. Peckers Familiensitz - ein kleines, auffällig charmantes Häuschen am Ende einer Sackgasse - existierte tatsächlich, und wir mußten nicht das geringste umbauen. Die von Peckers Vater betriebene Bar Claw Machine war einen Häuserblock entfernt. Und Bargain Hut, der Trödelladen seiner Mutter, war auch nicht weiter weg. Ganz so wie im wirklichen Leben."

Während die Crew Einstellungen on location präparierte, wurde besondere Sorgfalt verwendet, dem Fotografen Chuck Shacochis seine entscheidende Arbeit zu ermöglichen. Für gewöhnlich während der letzten Probe vor Drehs war es völlig unabhängig vom Job des Set-Fotografen Shacochis Aufgabe, all jene Bilder zu schießen, die im Film als Peckers Werke genutzt würden. Um den Aufnahmen eine einheitliche, ergo: peckerische Qualität zu geben, wurden die Bilder vielfach behandelt - unterschiedlich entwickelt, manipuliert, zerkratzt, heller oder dunkler gedruckt und in Ausschnitten vergrößert. Zudem mußten die Fotos exakt mit der Kontinuität des Filmens korrespondieren und fehlerlos Garderobe, Haare und Make-up der Schauspieler wiedergeben. Dies bei unchronologischer Dreharbeit und innerhalb eines knappen Zeitrahmens, so daß Shacochis manchmal 43 Stunden am Stück auf den Beinen war, um tagsüber zu knipsen, nächtens zu entwickeln und dem Team dann die für den weiteren Drehverlauf prägenden Resultate vorzulegen.

Nachdem Peckers Arbeiten in der Story von Lili Taylors Rorey entdeckt sind, wird seine Familie für eine Vernissage und ein Künstlerdinner nach Manhattan eingeladen, was Produktionsdesigner Van Smith im weniger trendhungrigen Baltimore vor die Aufgabe setzte, deutliche Kontraste herzustellen.

Die Outfits des kompletten Baltimore-Clan reflektierten die Ware aus Mama Peckers Third-hand-Shop, während für die New Yorker Gecken Kollektionen von Designern und Waters-Freunden wie Rei "Commes des Garçons" Kawakubo und Todd Oldham geliehen wurden. Parallel dazu kreierte Produktionsdesigner Vincent Peranio quintessentielle NY-Ecken in Downtown Baltimore. Roreys Galerie etwa, mit ihren ruhigen weißen Wänden und Lichtsetzung, wurde aus einer leerstehenden Büroetage gemeißelt. Und auf einer Bühne in Baltimores Vorstadt entstand eine präzise Rekonstruktion der berühmten New Yorker Bowery Bar. "Diese Details", so Waters, "mußten perfekt sein, von Gläsern bis zu Servietten. Denn ich war auf zu vielen Empfängen in New York, um mir nachher einen laxen Umgang mit den Insignien der City vorwerfen lassen zu wollen."

Trotz gewisser Ähnlichkeiten zu Waters' Vita legt der Regisseur Wert darauf, daß PECKER keine autobiographische Geschichte erzählt: "Der Unterschied zwischen mir und Pecker besteht darin, daß ich sehr wohl wußte, was ich wollte und worauf ich mich einließ, als ich mit kreativer Arbeit begann. Ich wollte eine Karriere. Pecker hingegen ist nicht ambitioniert. Er strebt keinerlei Aufmerksamkeit an. Und vor allem hat er keinen Sinn für Ironie, sondern bewahrt sich ein unverdorbenes Wesen. Was man von mir beim besten Willen nicht behaupten kann."

Gleichwohl weiß Waters sehr wohl, wovon er berichtet, wenn er Peckers Foto- Leidenschaft und die Kunstszene des Big Apple in den Vordergrund von PECKER rückt. Neben seiner Filmkarriere hat sich der Regisseur in den letzten Jahren im Gebiet der Standbild-Fotografie etabliert und eine variable Regie von Foto-Collagen entwickelt, indem er Sequenzen aus seinen Filmen von Videomonitoren abfotografiert und wie in Storyboards rahmt. Diese Arbeit wurde in Galerien rund um die Welt ausgestellt und in einem Buch titels Director's Cut bei Scalo veröffentlicht. Außerdem hält Waters seit langem Kontakt zu Künstlerzirkeln jeder Couleur. "Ich bin besessen von zeitgenössischer Kunst", schwärmt er, "und ein leidenschaftlicher Sammler, der wiederum eigene Shows veranstaltet. Ja, ich bekenne mich schuldig: Anders als Pecker weiß ich, wie eine Galerie von innen aussieht."

Casting

In Sachen Besetzung ist Waters seit Beginn seiner Karriere für ungewöhnliche Casting-Entscheidungen bekannt, und mit PECKER macht er keine Ausnahme, indem er in den Hauptrollen mit Edward Furlong ("Little Odessa"), Christina Ricci ("Der Eissturm") oder Lili Taylor ("I Shot Andy Warhol") nicht nur Schauspieler wählte, deren Rollen zwischen Independent- und Studiofilmen alternieren, sondern sie auch gründlich gegen ihre Images besetzt hat.

Für die Nebenrollen griff Waters zudem ins Portfolio seiner Veteranen und Weggefährten. Mink Stole etwa hat einen hysterischen Auftritt als Leiterin einer Wahlveranstaltung. Mary Vivian Pearce, bekannt als Cotton aus "Pink Flamingos", spielt einen homophoben Nachbarn. Und Patricia Hearst, nach ihrem dramatischen Realleben schon in "Cry-Baby" und "Serial Mom" präsent, bringt als Kunstsammlerin mindestens zwei gute Argumente für ihre Leinwand-Qualifikation ein.

Besonders interessant noch die Auftritte der beiden prominenten Fotografen Cindy Sherman und Greg Gorman, zwei Waters-Freunden, die sich in PECKER selbst spielen - und gehörig auf die Schippe nehmen lassen.

Alle Schauspieler versammeln sich eine Woche vor Drehbeginn in Waters' Haus, um eine Art informelles Proben zu ermöglichen: "Bei Komödien sollte man vorher nicht zu viele Abläufe festlegen, da Spontaneität essentiell ist. Mit den Jahren habe ich gelernt, daß beim Dreh meist entweder der erste oder der letzte Take am besten ist. Und wenn Cast und Crew nach einer Einstellung auffällig zu lachen beginnen, dann nehme ich das äußerst ernst, da es sich hier gewissermaßen um das erste Test-Publikum handelt."

Ein gutes Beispiel für diese unverkrampfte Arbeitsweise boten die Szenen in dem Männer-Stripclub Fudge Palace, der unter dem Namen Atlantis auch sonst für nackte Tatsachen herhält und in der Innenstadt Baltimores gelegen ist; zufällig neben einer Polizeistation. "Ich komme gerne in diese Bar", motivierte Waters beim Dreh seine Stars und Statisten, "aber jetzt brauchen wir die Waters-Version. Also möge sich bitte jeder in der fröhlichsten, verrücktesten Schwulen-Bar seines Lebens wähnen. Hier gibt es keine emotionalen Probleme oder miese Liebhaber, keine Alkoholprobleme oder Junkies. Hier wird gefeiert - alle Männer sind zu haben und sie wollen nur euch. Tänzer - vollen Exhibitionismus bitte! Das ist ein John Waters-Film und er ist nicht für Jugendliche freigegeben."


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