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Mit Schirm, Charme und Melone


Szene Szene

Damals im Fernsehen

Anfang der 60er Jahre herrschten im Fernsehen noch Familienväter, die wußten, wo es langgeht. Die Kinder trugen Kleider im Partnerlook, und die Frauen konnten zaubern (wie Jeannie), wenn es darum ging, mit ekelhaften Chefs oder Partykatastrophen fertig zu werden. Was Krimis angeht, sollten Gesetzeshüter seriös und ehrenwert sein. Auch Frauen kamen vor: Sie wurden entweder gerettet, oder sie saßen wie Perry Masons Perle Della Street an der Schreibmaschine.

"The Avengers" (Mit Schirm, Charme und Melone) läutete eine neue Ära ein. Im Mittelpunkt stand John Steed, Inbegriff des britischen Gentlemans, der, weil sein Humor so trocken war, eine Vorliebe für Champagner hatte. Steed nahm es mit jedem Schurken auf, ohne je in Schweiß zu geraten. Seine Gegner traten in bürgerlicher Tarnung auf: Abgeordnete, Kindermädchen, Apotheker, Landpfarrer, fürsorgliche Verwandte, die irgendwann in der ersten halben Stunde die Katze aus dem Sack ließen und ein Wahnsinnskomplott enthüllten: Sie wollten beispielsweise Westminster Abbey mit einer Armee hypnotisierter Soldaten besetzen oder einen berühmten Politiker kidnappen, indem sie Nervengas in sein Zugabteil leiteten.

Die abstrusen Kriminalfälle um spionierende Papageien, in Schottland gestrandete Nazis, die Hitler klonen wollen, oder eine Benimmschule für höfliche Mörder schufen mit dem wachsenden Erfolg der Serie ein Fantasy-Britannien jenseits aller Realität, in dem Steed und seine Partnerinnen unerschütterlich und süffisant für das Empire kämpften nach dem Motto: je absurder, desto cooler.

John Steed (Patrick Macnee, *1922 in London) taucht in allen 187 Folgen der Serie auf. Aber wer heute "Mit Schirm, Charme und Melone" sagt, der meint vor allem die 51 Folgen mit Mrs. Emma Peel (Diana Rigg, *1938 in Doncaster), denn es war ihr modisch verpackter Sex, der zumindest die Männer an den Bildschirm fesselte: "Emma Peel" ist die eigenwillige Schreibweise von "M-Appeal" (Man-Appeal). Mrs. Peel blieb nie eine Antwort schuldig; mit Köpfchen, blendendem Aussehen und der Geschmeidigkeit einer Katze war sie die ideale Ergänzung zu John Steed.

Während Steed den Finsterlingen mit seinen Markenzeichen, der präparierten Melone oder dem Parapluie, zu Leibe rückte, wußte Emma sich mit Jiu-Jitsu und Karate zu wehren. Das alles passierte quasi immer nur zwischen zwei Cocktails und coolen Sprüchen - dann trennten sich die beiden, bis in der nächsten Woche das Böse seinen Schlangenkopf wieder erhob und Steed erneut bei Emma anklopfte: "Mrs. Peel, we're needed."

"Diana Riggs Spezialität war eine unterkühlte, einfach nur präsente Erotik, die mit sich selbst ins reine gekommen war. Von den speziell für sie entworfenen, zwischen Op-art und Mod pendelnden Trikots - die immer mehr zu zeigen drohten, als sie es tatsächlich taten - bis hin zu ihrer perfekten Förmlichkeit stellte sie ein ewiges Versprechen dar, das dennoch nie eingelöst wurde: ,No sex please, we're British'. John Steed, der nicht minder formvollendete Gentleman, der nie anders als in Anzug und Krawatte auftrat, bezeichnete seine Partnerin stets als ,Mrs. Peel', allenfalls zum endgültigen Abschied im Jahre 1968 kam ihm ein sanftes ,Emma' über die Lippen." (Lexikon des phantastischen Films)

Angefangen hatten auch "The Avengers" 1961 als normale Krimiserie. Der Titel (übersetzt: 'Die Rächer') wurde in der ersten Folge dadurch begründet, daß die Verlobte des Arztes Dr. Keel (Ian Hendry) als Zeugin eines Drogendeals ermordet wird. Keel schwört Rache und tut sich mit dem Agenten John Steed zusammen, der den Amateur-Fahnder Keel als Partner akzeptiert. In der Mitte der 2. Staffel wurde Keel durch Catherine Gale (Honor Blackman) ersetzt, die mit hautengem Lederdress kühlen Sex-Appeal einbrachte und der Serie mit dieser damals ungewöhnlichen, gleichwertigen Frauenrolle zum Erfolg verhalf. Als Honor Blackman abdankte, um mit James Bond gegen "Goldfinger" zu kämpfen, steckten die Produzenten, ABC-Managing Director Howard Thomas und Redakteur Sydney Newman, in der Patsche. Ersatz-Agentin Elizabeth Shepherd versagte in den Testaufnahmen, und erst die damals 27jährige Theatermimin Diana Rigg erwies sich als goldrichtiger Nachwuchs.

Kultstatus erreichte die Serie mit der zweiten Peel-Staffel, die in Farbe produziert wurde und auf diese Weise auch Europa und die USA eroberte. Diana Rigg spielte Karate-Emma zwar mit unnachahmlicher Eleganz und amüsierter Distanz, doch sie hatte letztlich andere Karriereambitionen. 1968 quittierte sie den Dienst (weil laut Drehbuch ihr verschollener und totgeglaubter Gatte Peter Peel plötzlich lebendig auftaucht) und verkörperte in "On Her Majesty's Secret Service" (Im Geheimdienst Ihrer Majestät) das einzige Bond-Girl, das 007 tatsächlich ehelicht. Heute gehört Diana Rigg zu Englands renommiertesten Bühnen- und TV-Stars.

Macnee blieb der Serie treu und arbeitete Emmas Nachfolgerin Tara King (Linda Thorson) ein, die John Steed aber in keiner Hinsicht gewachsen war. In dieser Staffel taucht auch erstmals beider Vorgesetzter auf, der sich "Mother" nennt. 1969 wurde die Serie abgesetzt.

Acht Jahre später war der ewig auf die Melone fixierte Patrick Macnee nach wenig erfolgreichen Filmrollen erneut bereit, den Schirm zu zücken. "The New Avengers" erwies sich jedoch als halbherziger Aufguß, der nichts von der surrealen Atmosphäre der Emma-Peel-Epoche spüren ließ. Schon 1963 gab es konkrete Pläne, das "Avengers"-Team Macnee und Blackman auf die Leinwand zu bringen. Als Honor Blackman zur 007-Konkurrenz wechselte, wurde das Projekt zu den Akten gelegt.

In Deutschland war nur die Staffel "The New Avengers" komplett im TV zu sehen. Selbst die berühmteste Peel-Staffel schaffte es ursprünglich nicht vollständig auf den Bildschirm - zwei Folgen wurden unter dem Titel "Emma Peel: Meine tollsten Abenteuer mit John Steed" im Kino ausgewertet.

30 Jahre später ist "Mit Schirm, Charme und Melone" immer noch der erfolgreichste britische Serienexport, er wurde in 120 Ländern gezeigt. Patrick Macnee ist darüber nur zum Teil glücklich, denn vielfach werden die Folgen unautorisiert ausgestrahlt, so daß ihm die vertraglich zustehenden Prozente durch die Lappen gehen. Der Serienkult schlug sich in etlichen Büchern, Modellbausätzen (Steeds Bentley und Mrs. Peels Lotus Elan S2), in Schallplatten mit dem Titelthema von Laurie Johnson und in einer Serien-Hommage im Pretenders-Video "Don't Get Me Wrong" nieder.


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