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Quills - Macht der Besessenheit
Fakt und Fiktion: Wer war der wahre Marquis de Sade?
"Wahre Glückseligkeit existiert nur in den Sinnen,
und Tugend befriedigt keinen von ihnen." - Der Marquis de
Sade (1740 - 1814)
Quills versucht, die Essenz des Marquis de Sade einzufangen
- und seine provokative Rebellion gegen jegliche Beeinträchtigung
seiner Freiheit. Aber nicht jede Facette seines tatsächlichen
Lebens wird berücksichtigt. Wer also war der wahre Marquis
de Sade?
Der wahre Marquis de Sade wurde am 2. Juni 1740 unter dem Namen
Donatien-Alphonse-Francoise de Sade in Paris geboren. Er lebte
während einer der ereignisreichsten Perioden der französischen
Geschichte, in der die Monarchie nach Jahrhunderten gewaltsam
abgeschafft und der moderne Staat geboren wurde. Heute ist er
am besten bekannt für ein Wort, für das sein Name Pate
stand:
Sadismus - sexuelles Vergnügen, das aus dem Zufügen
von Schmerz gewonnen wird. Aber der Marquis hatte weitaus mehr
zu bieten als den Appetit auf sexuelle Experimente.
Er war ein Autor, der fast sein gesamtes Leben über verfolgt
wurde. Er verbrachte 27 Jahre im Gefängnis, in erster Linie
für das Verbrechen, es gewagt zu haben, über die dunklere
Seite der menschlichen Fleischeslust geschrieben zu haben.
1772 wurde er wegen Sexverbrechen zum Tode verurteilt und entkam
nur knapp der Vollstreckung des Urteils. Später schlug er
sich auf die Seite der Revolutionäre und entkam während
der Regentschaft des Schreckens, in der Tausende als Feinde der
regierenden Klasse getötet wurden, erneut nur um Haaresbreite
der Guillotine. Nach dem Erfolg der Revolution wurde er frei
gelassen, nur um kurz danach wegen der Veröffentlichung
erotischer Romane wieder eingekerkert zu werden.
Von Napoleons Administration wurden seine Schriften verboten.
Und der Marquis verbrachte das letzte Jahrzehnt seines Lebens
hinter den Mauern des Irrenhauses von Charenton.
Obwohl sein Leben längst zum Mythos geworden ist, erinnert
man sich an ihn als den ewigen Befürworter des Extremen.
Sade-Biograph Neil Schaeffer erzählte der New York Times:
"Sade war für den Bodensatz der Literatur zuständig...
das schlimmste, was man sich vorstellen kann. Es ist gut, den
Feind zu kennen: den Kern der menschlichen Natur erfassen zu
können, zeugt von Gesundheit am Ende dieses gewaltsamen
Jahrhunderts."
Sade war erfüllt von den größten denkbaren menschlichen
Widersprüchen. In ihrem Buch "At Home with the Marquis
de Sade" merkt Francine Du Plessix Gray an, dass Historiker
ihn sowohl den "luzidesten Helden des westlichen Denkens",
als auch "eine frenetische und abstoßende Ansammlung
aller Verbrechen und Obszönitäten" genannt haben.
Die Vorstellung, er könne tatsächlich beides gewesen
sein, macht seinen Charakter so studierenswert.
Seine berühmtesten Romane waren "Justine", "Juliette",
"Die 120 Tage von Sodom", "Aline und Valcour",
"Philosophie des Boudoir" und "Verbrechen der
Liebe". Er wird von Literaturgelehrten wegen seines konfessionellen,
bildlichen Stils und der Mixtur aus Horror und sexueller Besessenheit
erwähnt - und als Pionier der Idee, dass Zurückhaltung
der Natur des Menschen widerspricht.
Obwohl Quills die letzten Tage des Marquis de Sade
fiktionalisiert, basieren viele der faszinierenden Elemente der
Geschichte auf Fakten. Unter den Wahrheiten, die über den
Marquis und seine Zeit bekannt sind, befinden sich folgende:
* Sade wurde während der letzten Tage der Französischen
Revolution im Gefängnis von Picous eingesperrt (gemeinsam
mit anderen Literaten wie Choderlos de Laclos, Autor von "Les
Liaisons Dangereuses"). Dort wurde er von seinem Zellenfenster
aus Augenzeuge von Tausenden von Hinrichtungen auf der Guillotine,
unter anderem der von Marie Antoinette. Er schrieb an einen Freund:
"Meine nationale Verfahrung, die Guillotine vor meinen Augen,
war für mich hunderte Male schlimmer, als es alle vorstellbaren
Bastilles es jemals hätten sein können."
* Sades Ehefrau, Renée Pelagie oder die Marquise de Sade,
war eine wohlhabende Dame der Gesellschaft und eine tief religiöse
Person, die nichtsdestotrotz die literarischen Talente ihres
Mannes unterstützte und fast ihr gesamtes Leben lang für
seine Freiheit kämpfte. Einst schrieb sie an Sade ins Gefängnis:
"Je mehr ich dich liebe, desto unmöglicher wird es."
Sie unterstützte ihn auch während seiner Zeit in Charenton
und starb im Jahr 1810 - vier Jahre vor ihm.
* Im Alter von 61 Jahren wurde der Marquis de Sade nach nur
kurzer Zeit in Freiheit von Napoleons berüchtigter Polizei
verhaftet, womit man die Veröffentlichung seines neuen Romans,
"Juliette", verhindern wollte. Es gab keinen Prozess.
Um einen öffentlichen Skandal zu vermeiden, sperrte man
ihn nicht ins Gefängnis, sondern in Irrenhäuser - bis
ans Ende seines Lebens.
* Das Irrenhaus von Charenton wurde in seiner Zeit als eine
Modellinstitution angesehen. Der einstige Konvent wurde von einem
ehemaligen Priester, Francois Simonet De Coulmier, zum Sanatorium
umgewandelt. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, ein Refugium
für Geisteskranke zu schaffen, wo sie mit humanen, fortschrittlichen
Methoden behandelt werden sollten, wobei er auf die neuen "psychologischen
Heilverfahren" besonderen Wert legte.
* Zu den üblichen Behandlungsmethoden für Geisteskranke
gehörten im 19. Jahrhundert Eisbäder, Blutungen, Zwangsjacken
und Einläufe. Viele Asyle beherbergten nicht nur Geisteskranke,
sondern auch Epileptiker, geistig Zurückgebliebene, Kriminelle
und andere, die aus der Gesellschaft ausgestoßen wurden.
* Anders als Joaquin Phoenix war der reale Abbé Coulmier
ein buckliger Zwerg von ein Meter dreißig Größe.
* Abbé Coulmier freundete sich mit dem Marquis de Sade
an und ließ ihn die Leitung des Anstaltstheaters übernehmen.
Als Form von Therapie wurden in Charenton regelmäßig
Stücke mit Insassen als Darstellern aufgeführt, die
bisweilen auch vom Marquis selbst geschrieben wurden. Allerdings
waren sie weitaus konventioneller als die Schriften, die Sade
berühmt-berüchtigt machten.
* Der Marquis de Sade lebte in Charenton in einer Zwei-Zimmer-Suite
mit Blick auf den Fluss Marne. Sie war üppig eingerichtet
und mit seiner eigenen Kunstsammlung dekoriert. In seiner "Zelle"
bewahrte er etwa 250 Bücher auf. Für diese Privilegien
zahlte seine Familie der Anstalt ein Entgelt von 3000 Livres
im Jahr.
* Antoine Royer-Collard, ein konservativer Doktor und Moralist
mit Verbindungen zum Regime Napoleons, trat seine Arbeit in Charenton
im Jahr 1806 an. Er war zutiefst schockiert davon, dass Sade
in seiner Zelle Manuskripte verfasste und Literaturdiskussionen
mit den anderen Insassen führte. Er veranlasste eine Polizeirazzia,
bei der fast die gesamte Arbeit Sades konfisziert wurde und als
"Serie von unaussprechbaren Obszönitäten, Blasphemien
und Schurkigkeiten" eingestuft wurde.
* In seinen Memoiren merkt Napoleon Bonaparte an, dass er "durch
das abscheulichste Buch geblättert habe, dass sich eine
kranke Imagination habe einfallen lassen können, einen Roman,
der die öffentliche Moral derart aufbrachte, dass der Autor
eingekerkert werden musste".
* 1810, vier Jahre vor seinem Tod, wurde Sade sein relativ luxuriöses
Domizil genommen. Das Innenministerium Napoleons verbot es ihm
überdies, fortan Federkiele, Stifte, Tinte oder andere Schreibinstrumente
zu besitzen. Napoleons Gefängniskommission schrieb in ihrem
Report, dass Sade "in seinen Reden und Schriften Verbrechen
predigt" und "in Gewahrsam bleiben und all seiner Mittel
der Kommunikation beraubt werden sollte". Abbé Coulmier
protestierte gegen die unmenschliche Behandlung. Schließlich
wurde die Quarantäne des Marquis aufgehoben.
* Sade soll sich in Charenton in die 17-jährige Wäschemagd
Madeleine Leclerc verliebt haben. Über sie ist nur wenig
bekannt, außer dass sie seine Kammer regelmäßig
besuchte und er ihr Unterricht im Lesen und Schreiben gab. Zuletzt
besuchte sie ihn eine Woche vor seinem Tod. In seinem Tagebuch
vermerkte der Marquis, dass Madeleine "zwei Stunden bei
mir verbrachte. Ich war sehr zufrieden damit."
* Der Marquis de Sade starb in Charenton am 3. Dezember 1814
an Atemversagen. Obwohl er sich explizit dagegen ausgesprochen
hatte, wurde er auf dem Friedhof von Charenton beerdigt.
* Die literarischen Arbeiten des Marquis de Sade blieben in
Frankreich bis in die sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts
verboten. Immer wieder tauchen seine Bücher auf den Listen
auf, in denen verbotene Romane geführt werden.
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