|
|
Unterstützen Sie Kinoweb. Klicken Sie unseren Sponsor.
Lost Souls - Verlorene Seelen
Exorzismus: Eine kurze Einführung
Seitdem William Peter Blattys Bestseller Der Exorzist
die Welt im Sturm eroberte und Millionen von Lesern eine Gänsehaut
bescherte, hält man einen Exorzismus für etwas Übernatürliches
oder einen erfundenen Ritus. Tatsächlich aber sind Teufelsaustreibungen
ein überaus reales und ernstes Ritual, das in den christlichen
Religionen von heute eine wichtige Rolle spielt. Sie sind ein
letzter verzweifelter Versuch, jene zu heilen, die unter einer
Krankheit zu leiden scheinen, die weit über das hinausgeht,
was Ärzte und Psychiater verstehen.
Das Wort Exorzismus leitet sich vom griechischen "exousia"
ab, was soviel wie "Schwur" bedeutet. Die Idee dahinter
ist es, den Teufel oder Dämon aus einer besessenen Seele
zu vertreiben, indem man die Macht einer hohen Autorität
(zumeist Jesus Christus) anruft und so dem Dämon den Schwur
abringt, den Körper zu verlassen.
Teufelsaustreibungen wurden während der gesamten Geschichte
des Christentums durchgeführt. Obwohl man den Ritus zumeist
mit der römisch-katholischen Kirche assoziiert, gibt es
doch auch protestantische Gruppierungen, die ihn praktizieren.
Natürlich wird das Austreiben von Dämonen auch in nicht-christlichen
Gesellschaften und schamanistischen Kulturen betrieben.
Auch heute noch erlaubt die römisch-katholische Kirche
Exorzismen in seltenen Fällen und greift dann unter streng
kontrollierten Umständen auf die rituelle Prozedur zurück,
die in dem Exorzismus-Führer des Vatikans beschrieben werden.
Teufelsaustreibungen werden als so machtvoll erachtet, dass man
sie auch mit Menschen durchführen kann, die keiner Glaubensgemeinschaft
angehören.
Ein typischer Exorzismus
Exorziert werden Menschen, denen merkwürdige, unerklärliche
Phänomene widerfahren. Vielleicht sprechen sie auf einmal
in einer fremden Sprache, haben grausame Visionen oder lassen
abnormale gewalttätige Tendenzen erkennen. Wenn alle denkbaren
medizinischen und psychiatrischen Möglichkeiten ausgeschöpft
sind, kann man auf einen Exorzismus setzen, der von der Kirche
genehmigt werden muss.
Der Vorgang ist nicht einfach und setzt eine gründliche
Untersuchung voraus, um sicherzustellen, dass eine geistige oder
medizinische Krankheit (beispielsweise das Tourette-Syndrom oder
Epilepsie) nicht der Grund für den Zustand des Patienten
sind. Wenn festgestellt wird, dass gewöhnliche Hilfe nicht
greift, wird das Opfer von einem Priester besucht, der speziell
in dem uralten Ritus ausgebildet wurde, mit dem man dämonische
Besessenheit austreiben kann.
Exorzismen werden idealerweise in einer Kirche durchgeführt,
aber aufgrund der intimen Natur des Rituals und des häufig
angegriffenen Zustands des Opfers finden sie zumeist im Wohnzimmer
oder Schlafzimmer des Betroffenen statt. Manchmal wird es Familienmitgliedern
gestattet, an dem Vorgang teilzunehmen.
Dem Betroffenen wird ein Kruzifix gegeben, das er während
der gesamten Zeremonie zu halten hat. Sie kann einige Stunden
dauern, möglicherweise aber auch einige Tage. Weiterhin
werden Salz (als Symbol für Reinheit), Wein (als Symbol
für Christi Blut), Heiliges Wasser und andere Sakramente
benötigt.
Die wenigsten Exorzisten arbeiten allein. Die meisten haben
drei oder mehr Assistenten an ihrer Seite, die allesamt frei
von geheimen Sünden, Zweifel oder Charakterschwäche
sein müssen, die der Teufel andernfalls möglicherweise
gegen sie verwenden könnte. Außerdem müssen die
Assistenten über ausreichende körperliche Stärke
verfügen, um in der Lage zu sein, den Betroffenen zu überwältigen.
Und sie sollten intelligent und mental stabil sein, damit der
Exorzist nicht von dämonischer Aktivität abgelenkt
wird.
Der Exorzismus selbst durchläuft diverse Stadien: Zunächst
muss eine nicht weltliche Präsenz von den Anwesenden im
Raum gespürt werden. Danach muss man sich der Namen und
Anzahl der beteiligten Dämonen vergewissern. Daraufhin gilt
es, die Macht des Teufels zu brechen - ein Vorgang, der meist
mit schrecklichen Geräuschen, widerwärtigen Gerüchen
und unmenschlichen Gesten verbunden ist, da sich der Dämon
mit allen ihm gegebenen Mitteln gegen den Prozess wehrt.
Anschließend schwillt ein Chor teuflischer Stimmen an,
die man verstummen lassen muss, um den Exorzismus wirken zu lassen.
Nun kann der Exorzist den direkten Kampf gegen den Teufel in
Angriff nehmen, um ihn in die Hölle zurückzuschicken.
Und schließlich folgt das endgültige Vertreiben des
Dämons. Während dieser Kette von Vorgängen verfolgt
der Priester genau, welche der Aktionen ein Zittern oder besonders
starke Gegenwehr des Betroffenen hervorrufen. So kann er feststellen,
in welchem Maß man den Dämon bereits im Griff hat.
Nicht alle Exorzismen enden erfolgreich. Viele Exorzisten zahlen
einen hohen Preis für ihren Einsatz. Einige sollen dabei
verrückt geworden sein und mussten in geschlossene Anstalten
eingewiesen werden. Malachai Martin, dessen Veröffentlichung
Hostage to the Devil eine wesentliche Rolle beim Entwickeln und
Ausarbeiten von Lost Souls spielte, beschreibt den idealen
Exorzisten in seinem Buch als Priester im besten Alter, der über
eine ausgezeichnete Gesundheit verfügt und sich nicht allzu
sehr mit intellektuellen Dingen beschäftigt. In Das
römische Ritual baut man auf einen Priester, der
"unbedingt fromm ist, sich zur Beständigkeit und Bescheidenheit
verpflichtet, völlig immun ist gegen jedes Bestreben um
materielle Verbesserung und sich nicht nur auf sich selbst, sondern
auch auf die göttliche Kraft verlässt".
Laut überlieferter Tradition ist die größte
Gefahr für einen Priester während eines Exorzismus,
dass er selbst besessen wird. Der kleinste Funke von Schuld,
Sünde oder Verlangen nach Bestrafung kann es dem Teufel
erlauben, von der Seele des Priesters Besitz zu ergreifen. Wie
in Das römische Ritual geschrieben steht,
muss "der Priester stets wachsam sein vor den Künsten
und Täuschungen, die die bösen Geister anwenden könnten,
um den Exorzisten zu überlisten. Oft geben sie widersprüchliche
Antworten, die es beinahe unmöglich machen, sie eindeutig
zu verstehen. Die Folge kann sein, dass der Exorzist ermüdet
und aufgibt, weil es scheint, als sei der Betroffene tatsächlich
gar nicht besessen".
Neue Regeln
Im vom Vatikan unlängst herausgegebenen Update über
die Regeln des Exorzismus finden sich einige substanzielle Änderungen.
Beispielsweise wird ausführlicher diskutiert, wie man Besessenheit
von Krankheiten wie Schizophrenie oder multiplen Persönlichkeiten
unterscheidet.
Die entscheidenste Änderung dürfte jedoch sein, dass
man unter allen Umständen vermeiden muss, dass über
den Exorzismus in den Medien berichtet wird. In absoluter Abgeschiedenheit
wurden in den USA allein in diesem Jahr dutzende von Teufelsaustreibungen
unternommen. In den meisten europäischen Ländern gibt
es weiterhin in fast jeder Diozöse wenigstens einen Exorzisten.
|