Interview mit Regisseur Richard Lester
Für die, die es noch nicht wissen, könnten
Sie ein wenig von den besessenen Fans der Beatles erzählen?
Praktisch konnten die Beatles doch nirgendwo hingehen, ohne einen
Volksauflauf auszulösen, oder?
Als wir anfingen, den Film zu schreiben, wurden die Beatles zur
"Ed Sullivan Show" eingeladen und sie wurden mit einem
Schlag ein großes Stück bekannter. Die Welt begann,
sie wahrzunehmen. Als wir dann anfingen zu drehen, war unsere
größte Herausforderung, zu verheimlichen, wo wir drehten.
Wie sollten wir aber die Beatles in den Zug und aus dem Zug heraus
bekommen ohne eine riesige Menschenmenge? Und dann der absolute
Alptraum, wenn wir die Szenen wiederholen mussten...
Das beste Beispiel für die Hysterie ereignete sich gleich
am Ende des ersten Drehtages. Wir hatten gerade die ersten Szenen
im Zug gedreht und die Beatles waren auf einem Feld irgendwo
außerhalb von London ausgestiegen. Der Zug kam zurück
in den Bahnhof und wie aus dem Nichts kamen Kids auf ihn zugerannt.
Unser Material-Assistent, der den Film und das Negativ in Dosen
transportierte, um sie zu Technicolor zu bringen, oder wer auch
immer das war, der die Entwicklung machte, war ungefähr
24 Jahre alt, hatte dunkle Haare und denselben Haarschnitt wie
die Beatles. Er kam lächelnd aus dem Zug, froh, dass der
Arbeitstag zu Ende war - und kaum war er zu sehen, brach ein
Gekreische ohnegleichen los.
Er bekam sofort Panik und wollte ihnen entwischen. Aber er trug
acht oder neun Filmdosen, er wurde natürlich sofort eingeholt,
die Dosen fielen auf den Boden und wir verloren die Hälfte
des am ersten Tag gedrehten Materials. Die Negative lagen überall
auf den Schienen herum und unser Assistent rannte um sein Leben.
Ich denke, damit bekommt man eine sehr gute Vorstellung davon,
wie es war, einen Beatles-Film zu machen.
Beim Drehbuch scheint sich Alun Owen sehr am Sprachrhythmus
der Beatles orientiert zu haben.
Alun gab ihnen Worte mit Rhythmus und Kadenzen, die für
sie leicht erinnerlich schienen. Die Erinnerung war etwas sehr
Wichtiges, denn es gab während unserer Zusammenarbeit, nicht
nur an diesem Film, eine Tendenz, Drehbücher in Nachtclubs,
in Taxis oder Limousinen zu vergessen. So entwickelte sich ein
sehr vom Zufall abhängiger Stil des Filmemachens.
Wie viele Kameras waren gleichzeitig im Einsatz?
Größtenteils, vor allem, wenn es um Musiksequenzen
ging, drei. Beim Abschlusskonzert in A Hard Day's Night
waren es sechs. Die Lautstärke war ohrenbetäubend während
des Drehs. Einige Kameramänner waren auf der Bühne,
einige hinter der Bühne, um das Publikum aufzunehmen, und
einige waren mitten im Publikum. Weil sie eine Menge Songs aufnahmen,
haben sie massenhaft Material gedreht.
Einer der Kameramänner stand mitten zwischen den Mädchen
im Publikum. Am Ende des Vier-Tage-Drehs musste er mit einem
Notfallwagen zu seinem Zahnarzt gebracht werden, weil bei ihm
sämtliche Backenzähne durch die Lautstärke locker
geworden waren. Er hat einige davon verloren! Glücklicherweise
sind wir keine prozesssüchtige Gesellschaft, aber so war
das damals. Es war ohrenbetäubend, absolut ohrenbetäubend.
Erzählen Sie etwas über jeden einzelnen der
Beatles. Was war Ihr erste Eindruck von John?
John ist einer der drei oder vier interessantesten Menschen,
die ich in meinem Leben getroffen habe. John war in seinem Unvermögen,
Idioten auszuhalten, einfach einmalig. Ich weiß nicht,
wie ich das eleganter ausdrücken kann. Er ertrug dumme Menschen
einfach nicht, er hatte einen schnellen Verstand und war schnell
sehr zynisch.
Er hasste pompöses Auftreten und hasste Autoritäten,
die ihn wie einen Angestellten behandelten. Wenn man seinen Ärger
abbekam, konnte das sehr schmerzhaft sein, aber er war niemals
gemein. Er war jemand, der schnell schlechte Laune bekam, aber
sie auch schnell wieder los wurde. Danach konnte man einfach
weiter machen. Er sagte einfach, was er fühlte und das war
sehr erfrischend.
Wie bewusst war Ihnen, dass, je mehr sich die Filmhandlung
entfaltete, Johns Geist der Rebellion und die freche Art, in
der er sie nach außen trug, eines der spirituellen Themen
des Films war?
Ich denke nicht, dass John auf irgendeine andere Art in einem
Film auftreten konnte. Er war, was er war. Er war nicht gefragt
worden, Aramis zu spielen, er spielte sich selbst. Alun Owens
größtes Talent war, ein Klima von genau dieser Qualität
herzustellen, in dem sich John wohlfühlte. Es gab nicht
viele Improvisationen. Die einzige Szene, in der wir auf Spontanität
setzen, war bei der Pressekonferenz. Alun gebührt der Verdienst,
John wirklich gut getroffen zu haben, ihm entsprochen zu haben.
Und Paul? Was hielten Sie von ihm während der Dreharbeiten?
Paul war der theatralischste von ihnen. Er hatte damals eine
Freundin, die Schauspielerin war, sie ging mit ihrer Familie
oft ins Theater. Paul begleitete sie. Er liebte das Theater,
er liebte das Showgeschäft in einer Art, wie es den anderen
drei fremd war. Ihnen war das eher egal.
Für Paul geriet das in meinen Augen eher zum Nachteil, auf
gewisse Weise strengte er sich zu sehr an, zu schauspielern.
Ich meine das überhaupt nicht böse. Paul war immer
sehr willig und ist ein liebenswerter Typ geblieben. Aber ich
denke, er wäre nicht in so viele Fallen getappt, in die
man beim Film und beim Theater tappen kann, wäre er entspannter
gewesen.
Ich werde noch heute manchmal über die Beatles befragt und
einer der immer wiederkehrenden Fragen ist, wen ich für
den präzisesten Performer halte. Ich glaube, es war George,
denn er versuchte niemals mehr oder weniger zu machen, er war
immer im Mittelpunkt.
Ein Phänomen wie bei Ella Fitzgerald. Egal, welchen Ton
sie sang, sie traf immer absolut die Mitte. George verließ
eine Szene, wenn es darum ging, eine Szene zu verlassen. Insgesamt
waren die Szenen nicht so gut geschrieben und er musste nicht
furchtbar viel tun, aber wenn er dran war, brachte er das Beste.
Und Ringo, der im Film ja in gewisser Weise von den anderen
getrennt wird und allein ein großes Abenteuer erlebt -
war das von Anfang an so geplant? Interessanterweise meint er
ja im Nachhinein, dass dies tatsächlich seine Situation
als letzter zur Band gestoßener Beatle widerspiegele.
Es war sehr einfach, Ringo als den Mann im Hintergrund zu porträtieren,
den keiner wahrnimmt, der aber die Band zusammenhält. Ich
halte ihn für einen besseren Schlagzeuger als viele andere,
die gefeiert werden. Ringo war solide. Er kümmerte sich
um das, was nötig war. Aber es war kein leichtes Spiel für
ihn.
Er war derjenige, der das Gefühl hatte, zu wenig respektiert
und beachtet zu werden. Und natürlich trug er diese charakteristisch
klägliche Miene zur Schau und hatte diese Begabung, mit
unglaublicher Originalität zu kommen. Er hat den Titel A
Hard Day's Night erfunden. Übrigens fiel ihm auch zum
zweiten Beatles-Film ein Titel ein: Eight Arms To Hold You. Gott
sei dank mussten wir den am Ende nicht verwenden.
Haben Sie Souvenirs an den Film behalten?
Ich habe mehr wertvolle Sachen weggeworfen als ich mich traue
zuzugeben. John hat mir beispielsweise sein elektrisches Klavier
geschenkt, das er sehr oft benutzt hatte. Ich strich es rot an,
damit es zu dem Zimmer, in dem es stand, passte. Dann sind die
Saiten verrostet und es spielte nicht mehr und ich habe es irgendwo
in Südfrankreich auf den Müll geschmissen. Ich fürchte,
ich gehe nicht sehr sorgfältig mit Erinnerungsstücken
um. In letzter Zeit habe ich immer wieder Gegenstände und
Kostüme von dem Film an Wohltätigkeitsveranstaltungen
gegeben, was mir eine gute Sache erscheint.
Sie haben offensichtlich sehr stark dazu beigetragen,
die Persönlichkeiten der Beatles zu formen. Haben Sie ihnen
im Gegenzug etwas beigebracht oder geschenkt?
Sie haben mir meine Karriere als Filmregisseur gegeben! Mit diesem
Anfang konnte ich 40 Jahre lang gut weitermachen. Wenn es um
Dankbarkeit geht, bin ich den Beatles viel mehr schuldig als
sie mir. Ich habe mich doch nur darum gekümmert, sie in
einer respektvollen und ehrlichen Art und Weise zu präsentieren.
Ich habe mich bemüht, dem nahe zu kommen, was sie (als Regisseure)
gemacht hätten.
Hatten Sie eine Ahnung, dass A Hard Day's
Night ein Meilenstein der Filmgeschichte würde,
der noch heute neue Generationen von Filmemachern beeinflusst?
Als wir A Hard Day's Night machten, wussten wir, dass
die Beatles wunderbar waren und mir gefiel ihre Musik. Was ihre
Langlebigkeit anging, machte ich mir damals keine Gedanken. Wir
wussten nur, dass wir laut Vertrag den Film so schnell wir möglich
runterdrehen mussten, weil United Artists glaubte, der würde
sich nur einen Monat in den Kinos halten.
Und jetzt sitze ich hier in New York und rede über etwas,
das ich vor 36 Jahren gemacht habe! Damals habe ich wohl kaum
36 Jahre im Voraus gedacht. Ich dachte wahrscheinlich nicht mal
daran, ob einer von uns dann noch leben würde. Damals wäre
mir wahrscheinlich nur ein Ausdruck wie "alte Säcke"
eingefallen bei der Vorstellung, 36 Jahre später über
den Film zu reden. Aber daran dachte ich eben damals überhaupt
nicht.
Wie groß war die Bedeutung von Brian Epstein, dem
Beatles-Manager, für die Gruppe und für die Art, wie
der Film gemacht wurde?
Die Beatles vertrauten Brian sehr. Ich denke, dass einige der
Deals, die Brian für die Beatles machte, sehr naiv waren.
Naiv im nettesten Sinn. Es war Unschuld. Später als man
75.000 Dollar pro Woche mit Beatles-Platten umsetzte und die
Plattenfirma sich 90 Prozent davon unter den Nagel riss und die
Beatles 10 Prozent bekamen (oder wie die Zahlen auch immer waren)
- da begannen sie sich Sorgen zu machen.
Die Tatsache, dass der Filmgesellschaft die kompletten Album-Rechte
an A Hard Day's Night gehörten, war als Deal überhaupt
nicht besprochen worden. Brians Stärke war wirklich nicht
seine Verhandlungskunst, sondern sein ruhiges Wesen. Er war kultiviert,
ein Gentleman, ein beruhigender Einfluss im Auge des Orkans.
Heute wird A Hard Day's Night
als Meilenstein gefeiert. Als ein Film, der einen starken Einfluss
hatte und noch hat, den man fühlen kann. Wie sehen Sie das
heute, 36 Jahre später?
Ich kann mich nur daran erinnern, dass wir alle etwas taten,
woran wir glaubten. Wir waren damals mit dem Lebensgefühl
eins. Es macht glücklich, wenn du als Regisseur spürst,
dass du und das Publikum einander entsprechen, und dass dir diese
Entsprechung auch mit den Menschen, mit denen du arbeitest, gelingt.
Doch früher oder später wird man alt und man geht ins
Kino und denkt: "Oh, mein Gott, das sind alles Hamster hier!
Ihr Puls und ihr Atem sind zehnmal so schnell wie meiner!"
Wenn das geschieht, sollte man in Pension gehen. Das habe ich
gemacht.
Es geschieht sehr selten im Leben, dass alle Elemente sich in
Harmonie verbinden und man genau das machen kann, was man sich
wünscht. Beispielsweise, dass man einige Talente hatte,
die andere Regisseure nicht hatten, weil man zufällig den
Job auf andere Weise gelernt hat. Dass man gelernt hat, Musik
auf eine ganz bestimmte Weise zu benutzen, die damals als interessanter
Versuch anerkannt wurde und funktionierte.
Es ist idiotisch, als Filmemacher über die Nachwelt nachzudenken.
Film ist ein vergängliches Medium. Film ist ein Spiegel
einer Gesellschaft in einer ganz bestimmten Zeit. Alle Spiegelbilder
kommen und verschwinden, mehr gibt es nicht und mehr soll es
auch nicht geben.
Wenn Menschen immer noch Spaß an diesem Film haben, ist
das nichts, was wir Filmemacher uns aufs Banner schreiben sollten,
sondern hat in der andauernden Zuneigung der Menschen für
diese vier Jungs in dieser Zeit seinen Grund. Ein Teil davon
sein zu dürfen, war eins der großen Privilegien meines
Lebens. Und das ist alles.