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Das Experiment


Produktionsnotizen

Szene Nachdem Oliver Hirschbiegel den Roman von Mario Giordano in nur einer einzigen Nacht gelesen hatte, war ihm sofort klar, dass er den Stoff für seinen ersten Spielfilm gefunden hatte: "Das war genau das, worauf ich gewartet hatte: Eine ungeheuer spannende Geschichte, die glaubwürdig in Deutschland stattfindet. Man muss nicht schummeln, nicht so tun, als wäre das irgendwo anders. Die Stärke des Buches sind die Figuren. Alle Figuren im Film sind bereits im Roman angelegt."

Jeder, der den Roman gelesen hat, war sofort von seinem ungeheuren Potenzial überzeugt, dazu gehörte auch Moritz Bleibtreu, der lange vor dem ersten Drehbuchentwurf bereits für die zentrale Rolle des Tarek zusagte: "Ich wusste sofort, dass ich Lust hatte, da mitzumachen. Der Film kreist um die wichtigsten Fragen des menschlichen Zusammenlebens, darum, wie man mit Gehorsam umgeht, und in welchem Maß man die Verantwortung für sein eigenes Tun übernimmt. Das sind genau die Mechanismen, durch die Kriege entstehen. Außerdem kennen Oliver und ich uns schon seit einer Weile, und wir wollten beide unbedingt mal was zusammen machen."

Szene Nachdem mit Moritz Bleibtreu ein bekannter Star an Bord war, nahm das Projekt sehr schnell und unkompliziert seinen Lauf. So flossen die Fördergelder der Filmstiftung NRW und der FFA bereits, bevor das Drehbuch in der Endfassung fertig war. Beim Verkauf der Buchrechte an die Hürther Produktionsfirma typhoon film (die daraufhin die Münchner Fanes Film als Produktionspartner gewann), hatte Mario Giordano bereits ausgehandelt, selbst das Drehbuch schreiben zu dürfen.

Angesichts der komplizierten Struktur und der komplexen Gestaltung der Charaktere wurde in einem späterem Drehbuchstadium der amerikanische Script-Berater Don Bohlinger zugezogen, mit dem Hirschbiegel zuvor schon bei Todfeinde gute Erfahrungen gemacht hatte. Parallel schrieb Christoph Darnstädt aus Begeisterung für die Geschichte auf eigene Initiative an einer weiteren Fassung.

Thinktank

Danach schlossen sich Hirschbiegel, Darnstädt und Bohlinger zusammen in einer Kölner Hotelsuite ein, um gemeinsam aus den vielen Einzelfassungen mit ihren unterschiedlichen Stärken eine homogene Endfassung zu basteln: "Das war die schönste Drehbucharbeit, an der ich jemals beteiligt war", erinnert sich Hirschbiegel. "Wir haben jeden Tag 15 Stunden wie in so einem "Thinktank" zusammengesessen. Bohlinger war für die Strukturen zuständig, Darnstädt war der Beschützer der Figuren und ich der Apostel des Experiments und der Glaubwürdigkeit."

Für Hirschbiegel stand sofort fest, dass er, abgesehen von seinem zentralen Helden, den Film ausschließlich mit unbekannten Gesichtern besetzen wollte, um zu gewährleisten, dass sich die Zuschauer auf alle Figuren gleichermaßen einlassen: "Ich wollte, dass sich jede Figur ganz langsam vor dem Publikum enthäutet, vor seinen Augen sozusagen entsteht. Bekannte Gesichter stehen da nur im Weg."

Reale Hintergründe

Szene Die Tatsache, dass die Geschichte auf realen Ereignissen basiert, bedeutete für Hirschbiegel durchaus eine gewisse Verpflichtung: "Mir war wichtig, das nicht zu verraten, es nicht nur als Vehikel zu benutzen, um eine spannende Geschichte zu erzählen."

Bei der Vorbereitung griff er immer wieder auf die Berichte von Philip Zimbardo und die Videodokumentationen seines Original-Experiments zurück, und übernahm von dort auch einzelne Szenen und Motive, die in Giordanos Roman noch nicht vorkamen, wie beispielsweise den Einsatz der Feuerlöscher, als die Wärter den Aufstand der Gefangenen niederschlagen. Darüber hinaus führte er auch einige Gespräche mit Psychologen und Psychiatern über Menschen in Grenzbereichen und über Klaustrophobie: "Alles, was im Film passiert, sollte glaubwürdig und möglich und denkbar sein."

Visuelles Konzept

Szene Das visuelle Konzept des Films hat sich fließend aus einer Fülle spontaner Ideen und im Austausch mit Kameramann und Ausstatter ergeben. Früh stand für Hirschbiegel fest, dass er auf dem Set des Scheingefängnisses, das im Keller einer Kölner Kabelfabrik gebaut wurde, nicht mit Filmlampen, sondern nur mit dem vorhandenen Licht arbeiten wollte.

Daraufhin entwickelte der Kameramann Rainer Klausmann, mit dem Hirschbiegel seit Trickser kontinuierlich zusammenarbeitet, das Lichtkonzept: Gelbe Schüsseln als gedämpfte Nachtbeleuchtung an der Decke und gleißend helle, von den weißen Wänden reflektierte Neonleuchten für den Tag.

Die Konstruktion des Scheingefängnisses entstand aus dem erstem Entwurf, den Hirschbiegel nach den Beschreibungen des Buches gezeichnet hatte, wobei ihm seine Anfänge als bildender Künstler immer wieder sehr hilfreich waren - schon als Kind hat er häufig Storyboards von Geschichten gezeichnet: "Uli Hanisch hatte dann die geniale Idee, diesen langen Gang als Schikane um den Wärterraum herumlaufen zu lassen. So haben wir uns Stück für Stück gemeinsam herangetastet."

Im Gegensatz zu seinem Stammkameramann arbeitete Hirschbiegel zum ersten Mal mit Uli Hanisch zusammen: "Ich wollte einfach einen jungen, frischen Ausstatter, der noch nicht zu viele Filme hinter sich hat und doch schon genug Erfahrung, um so einen grossen Bau zu bewältigen. Er hat gerade einen Superbau für Tykwers Der Krieger und die Kaiserin hingelegt. Er ist sehr analytisch und bringt die Fähigkeit zu kühler Distanz mit, was für den Studiobau genau richtig war. Es war seine Idee, das zu teilen, er wollte den Studiobau machen und hat Andrea Kessler für die anderen Motive vorgeschlagen, und das ist hervorragend aufgegangen. Sie arbeitet sehr stark aus dem Bauch heraus und mit Atmosphären."

Dreharbeiten

Szene Nach den Außenaufnahmen in den Kölner Straßen sowie den Szenen in Tareks Wohnung und Zieglers Redaktionsräumen zog das Team in den unterirdischen Studiobau, den Uli Hanisch in den ehemaligen Räumen einer Kabelfabrik gebaut hatte. Dort bedeuteten die Dreharbeiten für alle Schauspieler und Teammitglieder eine außerordentliche physische und psychische Herausforderung: "Natürlich hatte Moritz ein besonders großes Päckchen zu tragen, da er seine Figur ja nicht eins zu eins spielt wie die anderen, die aus ihrem Privatleben in diese künstliche, simulierte Situation kommen. Er tut zwar so, ist aber in Wirklichkeit ein Journalist, der eine Story recherchiert. Am Anfang ist er sogar fast unsympathisch."

Von Anfang an war klar, dass zumindest die Szenen im Scheingefängnis chronologisch gedreht würden, schon allein wegen der Bartstoppeln: "Ich habe natürlich auch auf die Wirkung dieser hermetischen Situation gesetzt", gibt Hirschbiegel zu: "Wenn man 12 oder 14 Stunden nur Gitter und fast kein Tageslicht sieht, dann bekommt das eine faszinierende Eigendynamik. Die Intensität, die im Film zu sehen ist, war auch bei den Dreharbeiten zu spüren."

Dass die ganzen Umstände völlig anders waren als bei einem normalen Dreh, können auch die Schauspieler bestätigen, beispielsweise Christian Berkel, bei dem erschwerend hinzu kam, dass er als Steinhoff in den ersten 14 Drehtagen zwar sehr präsent war, aber nahezu wortlos agieren musste:

"Das war in jeder Hinsicht eine außergewöhnliche Erfahrung. Wenn man den ganzen Tag da unten im Keller ist und kein Tageslicht sieht, verliert man innerhalb kürzester Zeit sein Zeitgefühl. Wir hatten ja alle diese Kittel an, und natürlich keine Uhren. Und dann ist man die ganze Zeit mit so einer großen Gruppe zusammen - normalerweise gibt es bei einem Film ja zwei, drei Leute, die durchlaufen und die anderen kommen nur tageweise dazu. Bei uns waren wirklich alle immer da. Wir sind davon ausgegangen, dass es spätestens nach 14 Tagen zu enormen Spannungen kommt. Dass das nicht passiert ist, lag an Oliver, der sehr ruhig und ausgeglichen war und alle gleich behandelt hat. Wenn man da einen Regisseur hat, der launisch oder sprunghaft ist, oder die Leute gegeneinander ausspielt, dann kracht es ganz schnell!"

Augenzwinkernd gibt Hirschbiegel allerdings zu, dass er sich bestimmte Grundkonstellationen, Sympathien und Antipathien durchaus im Dienst des Films zunutze gemacht hat.

Fraktionsbildung

Szene Schnell zeigte sich bei den Dreharbeiten, dass die Übergänge zwischen Schauspieler und Rolle fließend wurden: "Das war manchmal richtig beunruhigend", erinnert sich Hirschbiegel, "weil wir gemerkt haben, dass die Rollenverteilung, die die Geschichte und das Projekt vorgaben, plötzlich auch in der Realität des Drehs gegriffen haben. Das heißt, dass die Wärter und die Gefangenen wirklich zwei Fraktionen waren, die in Konkurrenz zueinander standen und auch in den Mittagspausen jeweils zusammensaßen!"

Wenn Hirschbiegel dann bisweilen nach einem 13 oder 14 Stunden langen Drehtag Videosequenzen drehte, in denen Gefangene und Wärter zu bestimmten Vorfällen befragt wurden, dann hatte er immer wieder den Eindruck, dass die Antworten zu gleichen Teilen aus der Erfahrung des Schauspielers und der Figur kamen: "Ich saß da sozusagen in der Position des Professor Thon und fragte, wie sie diese oder jene Situation empfunden haben, welche Gefühle sie hatten. Als ich merkte, dass das gar nicht mehr zu trennen war, wer mir da antwortet, bin ich richtig erschrocken."

Versuchskaninchen

Szene Christian Berkel (Foto) bestätigt das: "Bei dem ersten dieser Interviews war ich so aufgeregt wie selten in meinem Leben. Dieses Befragtwerden war mir richtig persönlich unangenehm. Beim zweiten Mal, als ich die Situation kannte, war es nicht mehr so schlimm."

Dabei rutschte auch Hirschbiegel selbst von der Rolle des Regisseurs in die des Projektleiters: "Manchmal habe ich auch ganz grob Aufgaben verteilt und mir dann angesehen, was passiert. Eigentlich brauchten wir nur drei Minuten, doch ich hab die Szene einfach weiterlaufen lassen, ohne dass die wussten, was los ist, nur den Wärtern habe ich über Funk Anweisungen gegeben: 'Geht mal rein und lasst sie Liegestützen machen!' oder: ,Macht mal einen Linienappell!'

Das war sehr komisch, am Monitor zu sitzen und zu schauen, was die da machen. Man sitzt da und fährt mit der Kamera hin und her, und merkt, dass sie nervös werden. Sie wissen ja nicht, was los ist, wissen nur, dass es aufgezeichnet wird. Das fand ich ziemlich beunruhigend, weil ich da gemerkt habe, wie einfach es ist, auf diese Versuchskaninchen in ihrem Käfig zu schauen und zu sagen: 'Ein bisschen geht noch, ein bisschen geht noch.' Das hat mich beunruhigt und doch gleichzeitig darin bestärkt, dass diese Geschichte wirklich glaubwürdig ist." Im Film sind nur etwa drei Minuten dieses Materials zu sehen, weitere Szenen sind im Internet abrufbar.

Fiktion und Realität

Immer wieder führten die fließenden Übergänge zwischen Fiktion und Realität die Filmemacher auch an die Abgründe ihrer eigenen Existenz. So musste Hirschbiegel überrascht feststellen, dass die Strafmaßnahmen, die sich die Wärter auf seine Anweisung hin ausdachten, erstaunlicherweise grausamer und perfider waren, als die im Drehbuch vorgesehenen: "Lars Gärtner, der den Renzel spielt, hat beispielsweise gesagt, ich geh da jetzt rein und sag' 53, dass sein Sohn todkrank im Krankenhaus liegt. Das ist schon unglaublich, was da freigesetzt wird!"

Wie die meisten der Beteiligten an diesem Projekt hätte sich Christian Berkel zumindest vor den Dreharbeiten gut vorstellen können, an so einem Experiment teilzunehmen: "Ich bin naiv wie wahrscheinlich wir alle davon ausgegangen, dass so ein Experiment, wenn es von Psychologen geleitet wird, eine relative Sicherheit mit sich bringt, was natürlich überhaupt nicht der Fall ist. Als ich dann später während der Dreharbeiten das Video von dem Originalexperiment gesehen habe, war ich überrascht, dass da der erste schon am ersten Tag, nach nur acht Stunden völlig ausgerastet ist."

Nach fast 30 Drehtagen in der klaustrophobischen Atmosphäre des Scheingefängnisses wurden die Dreharbeiten ins holländische Zandvoort verlegt, wo noch die Szenen in der Villa von Doras Vater entstanden.


Ausstattung

Die Eckpunkte des Grundrisses haben sich aus dem Drehbuch ergeben, das gewisse Entfernungen zwischen den einzelnen Schauplätzen im Gefängnis voraussetzte, und Oliver hat gewisse Fixpunkte in den ersten Gesprächen entsprechend gelegt, beispielsweise, dass der Aufenthaltsraum der Wärter vom Gefangenentrakt separiert werden muss.

Ausgehend von diesem zunächst sehr einfachen Grundriss habe ich das dann zunächst noch unabhängig von der Halle, in der wir gedreht haben, überarbeitet. Dann ergab sich sehr schnell, dass der ganze Grundriss so unpraktisch wie möglich sein sollte: Die Toiletten müssen möglichst weit weg sein, damit solche banalen Gänge immer für alle nervtötend sind. Alle Wege sollten länger sein als nötig. Die einzige Toilette für 20 Leute liegt weit weg von den Zellen, und ist direkt mit dem Speiseraum verbunden, nicht weil es so sein muss, sondern als Schikane.

Der ganze Raum ist als Gegenteil von einem Hotel konzipiert, das auf Bequemlichkeit und Funktionalität ausgerichtet ist. Hier sollte alles möglichst un-wirklich, un-bequem, un-praktisch sein.

Kostüme

Nach einem Mode- und Design-Studium am St. Martins College in London arbeitetete Kostümbildnering Claudia Bobsin zunächst als Stylistin für Mode und Werbefotografie und bei Musik-Videos. Seit 1970 arbeitet sie als Kostümbildnerin und hat bereits bei Das Urteil und Todfeinde mit Oliver Hirschbiegel gearbeitet.

Zum Entwurf der Kittel und Uniformen sagt sie: "Wir haben uns überlegt, dass diese Kittel die Gefangenen zu Neutren reduzieren sollen, dass sie unpraktisch sein sollten, weil sie nur bis zum Knie gehen, so dass die Männer immer wie Damen sitzen mussten, mit geschlossenen Knien, und sie sollten unbequem aussehen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass sie nicht so unbequem sind, dass die Schauspieler wirklich leiden und nicht mehr konzentriert arbeiten können.

Also fotografiert man verschiedene Stoffe, um ihre Wirkung zu testen. So haben wir einen groben Baumwollstoff gefunden, der aussieht, als würde er kratzen, aber ganz gemütlich ist. Dann haben wir verschiedene Schnitte ausprobiert, um zu sehen, wie sie wirken: Das sollte nicht wie so ein Ärztekittel wirken, und auch nicht zu modisch und schick aussehen, sondern etwas Kränkendes, Böses haben, mit einem sehr weiten Ausschnitt und diesen Flügelärmeln.

Als die Jungs den Kittel dann zum ersten Mal anhatten, haben die sich wirklich sehr gewundert. Sie mussten schlagartig lernen, sich anders zu bewegen, anders hinzusetzen, anders aufs Bett zu klettern, da sie in der Geschichte ja nackt darunter sind und man so oder so nichts sehen sollte. Dadurch ergibt sich diese seltsame, gezwungene Körpersprache ganz automatisch. Die Nummern haben wir nur aufgesprüht, damit das was ganz Provisorisches hat.

Bei der Wärter-Uniform schwebte dem Regisseur etwas vor wie eine amerikanische Cop-Uniform oder eine amerikanische Armeeuniform. Ich habe mich da von Anfang an dafür eingesetzt, dass das nicht blau wird, sondern etwas ganz Seltsames, Eigenständiges hat, dass man nicht mit etwas Bekanntem in Verbindung bringt. Blau fand ich viel zu elegant. Ich dachte an petrolgrün, oder ein dunkles Grau, ein hässliches, fast grünliches Grau.

Ursprünglich sollte die Dekoration auch grün sein, dann wäre es natürlich nicht so gut gewesen, als die dann aber sehr hell, und silbrig, milchig wurde, war das Grün ideal. Dann habe ich eine Fantasieuniform zusammengesetzt, mit diesen seltsamen Schulterstücken, die es gar nicht gibt, mit lauter Details, die es so in keiner Berufsarmee und auch nicht bei der Polizei gibt.




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