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Blow


Produktionsnotizen

Poster Der Schneesturm begann in der zweiten Hälfte der Siebziger durch die urbanen Zentren der USA zu fegen, hat bis heute nicht an Verwüstungskraft eingebüßt und bescherte so manch prominentem Nordamerikaner eine neue Nasenscheidewand aus Platin - was wiederum manchen Südamerikaner sehr, sehr reich machte. Denn das Geschäft mit Schnee, Marschierpulver, White Lines oder cocaine alkaloid, um den chemischen Begriff für das Rauschmittel Kokain zu gebrauchen, - es explodierte in den Siebzigern.

So rasch und so massenhaft wurde die vormals relativ obskure Droge plötzlich genutzt, dass es den Händlern nicht nur zu Reichtum, sondern wahrer Macht über Menschen oder gar Staaten verhalf. Alle Welt wusste freilich, dass hinter der Verbreitung von Kokain die für ihre Rücksichtslosigkeit bekannten Kartelle Kolumbiens standen. Doch die wenigsten ahnten, dass die Drogenlords einen Verbündeten in Amerika hatten, der die Kokain-Connection erst möglich machte.

Szene [Foto: Ray Liotta]

Ein Mann, der seriösen Quellen wie Newsweek zufolge knapp neunzig Prozent des Anfang der Achtziger in die USA geschmuggelten Kokains über seine Handelsrouten in god's own country brachte. Ein Großdealer, der im Gegensatz zu anderen im Film verewigten Drogenhändlern aus Scarface, Goodfellas, Boogie Nights oder unlängst Traffic weder einer ethnischen Minderheit angehörte noch Einwanderer war. Sondern weißer, angelsächsischer Amerikaner. Aufgewachsen in Suburbia mit Apfelkuchen und Baseball, was ironischerweise der Grund für seinen Hang zu Abenteuern und riskanten Geschäften sein mochte. Sein Name: George Jung.

Johnny Depp verleiht ihm in Ted Demmes Drama Blow Gestalt, während der echte George Jung bis heute und ohne viel Hoffnung auf Bewährung bis ins Jahr 2014 im Zuchthaus sitzt. Blow erzählt ohne Beschönigung oder Verteufelung die Geschichte dieses zerrissenen Mannes, der den amerikanischen Traum auf seine Weise wahr werden ließ - indem er sozusagen das Bindeglied zwischen dem berüchtigten Medellin-Mann Pablo Escobar und den vergnügungssüchtigen US-Bohemiens auf der anderen Seite wurde.

Warum er zur rechten Hand der Kolumbianer werden und relativ ungestört bis Ende der Achtziger das Feuer des Glitzers und Glamours, der Gier und des Größenwahns mit schier endlosem Koks-Nachschub anheizen konnte, das beschreibt Blow mit nahezu dokumentarischer Präzision.

Ebenso wichtig ist den Kreativen vor und hinter der Kamera die humane Perspektive. Auch wenn keine Antwort auf die Frage nach Jungs Ambitionen, Talenten und Verfehlungen leicht ausfällt, so zeichnet Blow doch couragiert die Chronik von surrealem Aufstieg und tragischen Fall eines letztlich einfachen, einsamen Mannes.

"Es ist eine unglaublich tragische Lebensgeschichte", konstatiert auch Regisseur Ted Demme und fährt fort, "aber zugleich atmet die Story auch Spannung, Fun und Gefahr, weil sie vor dem Hintergrund von Sex, Drugs & Rock'n'Roll angesiedelt ist - und das in einem Abschnitt der jüngeren amerikanischen Geschichte, die von Transformationen geprägt war. Der Zeitgeist wechselte vom Kiffen zum Koksen, von Unschuld zu Zynismus. Und das macht Blow letztlich zu einem sehr persönlichen Projekt, denn wie die meisten von uns habe ich Freunde, die mit Drogen in Berührung gekommen sind und daran Schaden genommen haben.

Blow basiert auf dem Buch von Bruce Porter, der darin sowohl die Entwicklung von Kokain zu Amerikas gefährlichster Droge als auch das außergewöhnliche Leben George Jungs beschreibt. Essentielle Informationen erhielt der Autor von Jung selbst, der ungeschönt protokollierte, wie er als junger Mann die Entscheidung traf, um keinen Preis so schwach wie sein Vater sein zu wollen. Und der nach Jugendjahren als kalifornischer Hippie zum internationalen, vom FBI gejagten Drogenhändler wurde, verführt natürlich auch von "Geld, Lear Jets, schnellen Autos, wilden Frauen und Villen voller Bediensteter, bis es zur Implosion seines Imperiums nur eine Frage der Zeit war" (Porter).

Regisseur Demme ergänzt: "Für George ist der amerikanische Traum schrecklich nach hinten losgegangen, denn er hat all sein Talent und seine Träume in den Handel von Rauschgift in gigantischen Mengen kanalisiert. Dabei hatte er die selben Hoffnungen wie die meisten von uns - sein eigenes Schicksal zu kontrollieren und von niemandem gesagt bekommen, was er zu tun und zu lassen hat. Nicht von den Eltern. Und auch nicht von Politik oder Gesetz, was letztlich seine Hybris war.

Die wahre Vielschichtigkeit der Geschichte wurzelt jedoch für meine Begriffe in Jungs Privatleben. Wenn man die schillernde Drogenwelt kurz ausklammert, ist Blow im Kern eine herzzerreißende Geschichte über Familienliebe, da George sowohl mit seinen Eltern als auch mit seiner Tochter tiefe emotionale Probleme hatte. Der Film zeigt, was passiert, wenn ein Mann wahrhaftige Gefühle entdeckt, die er sich eigentlich als allerletztes erlauben kann."

Jung selbst will seine Biographie als warnendes Beispiel, als moralisches Lehrstück verstanden wissen und sagte unlängst im Interview mit dem US-Politmagazin Frontline: "Ich war ein Kerl mit uneingeschränktem Zugang zu Kokain und Geld - und obwohl ich aussah wie Bela Lugosi, hatte ich die schönsten Frauen des Planeten, denn damals war jeder ins Geld und speziell ins Koks verliebt. Aber als ich begann, meine Motive zu hinterfragen, hatte ich mich schon verloren und aus dem Kreislauf war kein sauberer Ausstieg mehr möglich."

Pessimistisch äußerte sich Jung des weiteren über den gegenwärtigen Stand der Dinge im so genannten Krieg gegen die Drogen. "Es gibt keinen Weg", sagte er, "das Importieren von Drogen in die Staaten zu unterbinden. Statt dessen sollte Selbstreflektion einsetzen und muss sich mit nackter Logik mal jeder an die eigene Nase fassen. Denn ist Kokain etwa so populär geworden, weil ich den Mut zum Schlechtsein hatte? Oder weil Millionen Amerikaner bis heute nicht den Mut haben, sich richtig zu verhalten...?"

Depp traf sich mehrfach mit Jung im Gefängnis, um sich dessen Kenntnisse anzueignen und Vergangenheit zu verstehen. "George sah sich als eine Art moderner Pirat", resümiert Depp, "der nicht an das System, die Regeln, die Bosse oder die Politik glaubte. Er wollte das Leben auf seine Weise mit vollen Zügen auskosten, statt einen Alltagsjob anzunehmen. Das war seine radikale Freiheitsvision - doch letztlich fraß ihn sein Lebenshunger genau so auf wie die Menschen, die ihm etwas bedeuteten. Man fragt sich, wie er sein Leben auf der Überholspur so lange führen konnte, und ich denke, dass ihn nicht das Koks, sondern Adrenalin am Laufen hielt. Er brauchte Tempo und Gefahren - der Stoff war nebensächlich. Wie gesagt, er hielt sich nie für einen Kriminellen, sondern für einen modernen Freibeuter, der lediglich auf seine Art sein Geld verdiente und den Leuten gab, wonach sie ohnehin gierten. Und davon kann man halten, was man will. Ich hoffe jedenfalls, dass er auch als normaler Mensch betrachtet werden kann, der seine Schulden an die Gesellschaft bezahlt hat."




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