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Winslow Boy
Das Bühnenstück
Die Idee zu "The Winslow Boy" nahm kurz vor dem Ende
des 2. Weltkriegs Gestalt an. Terence Rattigan ("The
Browning Version", "Seperate Tables")
arbeitete in der Film Unit der britischen Luftwaffe als Autor.
Sein dortiger Produzent Anatole de Grunwald bat ihn eines Tages,
einen Vorschlag zu einem Film über das britische Justizsystem
zu machen.
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Als Rattigan vorschlug, über das George Archer-Shee-Verfahren
aus dem Jahre 1910 zu schreiben, gefiel Grunwald die Idee nicht.
Das reizte Rattigan, die Geschichte als Bühnenstück
zu schreiben. Er strukturierte es als Vier-Akter ( eine typische
Form der Viktorianischen und Edwardschen Ära), und schrieb
das Stück in sechseinhalb Wochen.
Die Rolle des Sir Robert Morton wurde damals John Gielgud angeboten,
der sie abschlug. So übernahm Emlyn Williams den Part. Das
Stück feierte 1946 im Lyric Theatre in Londons West End
seine Premiere und blieb mehr als ein Jahr auf dem Spielplan.
Rattigan erhielt dafür den ersten seiner zwei Ellen Terry
Awards für das Beste Neue Bühnenstück.
Im folgenden Jahr folgte die New Yorker Premiere aund wurde
mit dem New Yorks Drama Critics' Circle Award für das beste
Nicht-Amerikanische Bühnenstück des Jahres ausgezeichnet.
"The Winslow Boy" wurde auf der Stelle zu einem der
populärsten Stücke Rattigans, das es auf 476 Aufführungen
in London und 218 in New York brachte. Innerhalb des folgenden
Jahres folgten Inszenierungen in Frankreich, Deutschland, der
Schweiz, Schweden, Dänemark, Australien, Südafrika,
Griechenland, Norwegen, der Tschecheslowakei, Israel und Ungarn.
1950 wurde aus "The Winslow Boy" dann ein
erinnernswerter Film, den Anthony Asquith inszenierte und Anatole
de Grunwald produzierte. Zur Besetzung gehörten damals Robert
Donat, Margaret Leighton und Cedric Hardwicke. In all den folgenden
Jahren gehörte das Theaterstück zum festen Repertoire
vieler Bühnen und erlebte in jüngerer Zeit viele bemerkenswerte
Neuinszenierungen, insbesondere die erfolgreiche off-Broadway-Produktion
in den frühen 80er Jahren und die Inszenierung von Wyn Jones
im Jahr 1994 in Londons West End.
Rattigan schätzte das Stück innerhalb seiner Arbeiten
besonders: "Wenn 'The Browning Version' meinen Pass zum
Himmel darstellt", sagte er einmal, "dann ist 'The
Winslow Boy' die Brieftasche, in der er steckt."
Eine Textausgabe des Theaterstückes "The Winslow Boy"
von Terence Rattigan, die dem Film zugrunde liegt, ist beim Cornelson
Verlag erschienen.
Der Fall
Im Jahr 1908 wurde George Archer-Shee, ein 13jähriger Kadett
am Osbourne Naval College auf der Isle of Wight, beschuldigt,
eine Postüberweisung über fünf Shilling aus dem
Spind eines Mitstudenten gestohlen zu haben. Das College war
sich sicher, dass George seinen Namen unter die Postanweisung
gesetzt und sie eingelöst hatte. Der Junge beschwor seine
Unschuld, wurde aber dennoch des Colleges verwiesen. Sein Vater
Martin Archer-Shee, ein Banker aus Liverpool, glaubte seinem
Sohn und versuchte, seinen guten Namen wieder herzustellen. Doch
er war erfolglos - zunächst beim Kommandanten des College,
dann bei der Admiralität. Archer-Shee konnte das College
nicht direkt verklagen, weil sowohl es, als auch die Admiralität,
Teil der Domäne des Königs waren. Und als solche Teile
genossen sie vor der Justiz Immunität. Es war im juristischen
Sinn undenkbar, dass der König Unrecht ausübte.
Viele Menschen in England hatten damals das Gefühl, dass
George, der Katholik war, ein Opfer von Dünkel geworden
war. Man munkelte mehr oder weniger offen, dass etliche Kadetten
des Verbrechens verdächtig waren, aber nur Archer-Shee beschuldigt
und rausgeworfen worden war.
Archer-Shee bat Edward Carsons, der Familie als Anwalt beizustehen.
Carsons hatte bereits frühe Anerkennung gewonnen als der
Mann, der Oscar Wilde angeklagt hatte (im Zusammenhang mit Wildes
Verleumdungsklage gegen den Marquis von Queensberry). Um den
Fall vor Gericht zu bringen benutzte Carson das Petitionsrecht.
Mit der Zustimmung des Innenministers und des Generalstaatsanwalts
konnte eine solche Petition beim König eingebracht werden.
Der König konnte dann, wenn er wollte, der Petition zustimmen
und auf diesem Umweg konnte der Fall vor Gericht kommen. Im Mai
des Jahres 1909 erreichte die Petition König Edward VII.
Und er zeichnete sie mit den Worten ab: "Lasst Recht walten".
Das Gericht konnte tätig werden. Die Admiralität hatte
die Petition zunächst erfolgreich verhindert, aber diese
Entscheidung wurde durch eine Berufungsklage Carsons widerrufen.
Am 26. Juli 1910 begann der Prozess, in dem Sir Rufus Isaac
der gestellte Repräsentant der Admiralität war. Am
vierten Tag des Verfahrens gab Isaac bekannt, dass er für
die Admiralität und die Krone Georges Unschuldsbehauptung
akzeptiere. Es wurde berichtet, im Gericht seien Mitglieder der
Jury über die Absperrungen geklettert, nur, um der Archer-Shee-Familie
zu gratulieren.
Später wurde der Fall zum Thema hitziger politischer Debatten.
Viele Menschen hatten das Gefühl, der Erste Lord der Admiralität
Reginald McKenna habe dem Ansehen der britischen Justiz geschadet,
weil er der Archer-Shee-Familie keinen Schadensersatz gezahlt
hatte. Georges Bruder, der gerade für die Konservativen
ins Parlament gewählt worden war, machte seine neuen Kollegen
auf die Angelegenheit aufmerksam. Im Juni des Jahres erhielt
die Familie schließlich 3000 Pfund und die Verfahrenskosten
wurden ihr erstattet.
Während jetzt also die finanzielle Seite des Falls geregelt
war, erhielt George Archer-Shee jedoch nie eine formelle schriftliche
Entschuldigung, noch wurden die Anschuldigungen je offiziell
zurückgenommen. George Archer-Shee diente während des
Ersten Weltkriegs im Militär und fiel im Jahr 1914 im Kampf
um Ypres. Der Befehl, sich aus der Stellung zurückzuziehen,
hatte seinen Infanteriezug nicht rechtzeitig erreicht.
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