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Sade

Daniel Auteuil

als Sade


Szene 1986 Jean de florette / Claude Berri

1988 Quelques jours avec moi (Einige Tage mit dir)

1992 Un coeur en hiver (Ein Herz im Winter) / Claude Sautet

1993 Ma saison préférée (Meine liebste Jahreszeit) / André Téchiné

1994 La reine Margot (Bartholomäusnacht) / Patrice Chéreau

1995 Une femme francaise (Eine französische Frau) /

1996 Les voleurs (Diebe der Nacht) / André Téchiné

1996 Affirma Pereira (Erklärt Pereira) / Roberto Faenza

1996 Le huitième jour (Am achten Tag) / Jaco Van Dormaël

Preis für die beste männliche Hauptrolle in Cannes 1996

1997 Le Bossu (Duell der Degen) / Philippe de Broca

1999 The Lost Son / Chris Menges

1999 An Interesting State / Lina Wertmüller

1999 La fille sur le pont (Die Frau auf der Brücke) / Patrice Leconte

2000 La Veuve de St. Pierre (Die Witwe von St. Pierre)/ Patrice Leconte

2000 Vajont / Renzo Martinelli

2000 Le Placard / Francis Veber

2000 Sade


Interview mit Daniel Auteuil

(Auszüge aus Paris Match)

Sie haben mit Sade, dessen Vornamen ja "Donatien Alphonse" lauten, nicht nur die Initialen gemein, Sie stammen auch aus derselben Gegend wie er. Wie viele Kilometer liegt Avignon, ihre Heimatstadt, vom Schloss Lacoste entfernt, wo das Markgrafengeschlecht derer von Sade seinen Stammsitz hatte?

Ungefähr dreißig. Einmal habe ich sogar in Bonnieux in einem Haus gelebt, von dem aus man die Burg Lacoste sehen konnte. Über Sade wußte ich damals aber so gut wie gar nichts: Mir war lediglich bekannt, daß ihm ein ziemlich übler Ruf vorauseilte.

Als Kind machte ich noch keinen Unterschied zwischen Hirngespinsten und der Realität. Ich sage "als Kind", doch war ich in Wirklichkeit schon fast 40 Jahre alt, als ich meine letzten Streifzüge zur Burg Lacoste unternahm. Heute ist sie nur noch eine Ruine. Man kann aber eine kleine Treppe hinabsteigen, die in eine Art Keller führt, und dort pflegte ich nach Ringen oder anderen interessanten Gegenständen zu suchen.

Sie hatten also noch nie eine Zeile von Sade gelesen, als man Ihnen die Rolle anbot?

Nein... Das heißt, doch. Ich muß es zugeben: Ich habe Sade-Comics gelesen. (...) Man hat mir einmal einen großformatigen Comic geschenkt, frei nach Sades "Justine", wenn ich mich recht erinnere. Dort habe ich zum ersten Mal mit ihm Bekanntschaft gemacht.

Erst jetzt aber habe ich Sades eigene Texte gelesen. Er ist nicht nur ein großartiger Schriftsteller, sondern auch ein Mann des Theaters, ein Spieler, ein Meister der Inszenierung.

Georges Bataille meinte, dass man allein durch das Lesen von Sades Werken krank werden könne. Wie muss sich einer dann erst fühlen, der ihn zu spielen hat?

Von wegen! Bataille? Der hat doch nichts zu sagen. Mich versetzt Bataille mehr in Aufruhr als Sade. Die Wirkung von Sades Texten wird freilich dadurch etwas abgemildert, daß sie in der Sprache des 18. Jahrhunderts geschrieben sind.

Ich muß allerdings zugeben, daß ich mit den "120 Tagen von Sodom", die ich im Moment lese, schon auch meine Mühe habe - obwohl ich erst bis zum vierten Tag vorgedrungen bin. Da gibt es zum Beispiel jene Passagen, die sich auf die Exkremente beziehen: Stellenweise ist der Realismus der entsprechenden Schilderungen kaum zu ertragen, gleichzeitig faszinieren sie mich aber auch.

Zeugt Sades Verhältnis zu den Frauen nicht von großer Liebe?

Die Vorstellung einer geknechteten Frau ließe sich mit seiner geistigen Einstellung nicht in Einklang bringen. Das würde seiner eigenen Freiheit und somit auch seiner Libido zuwiderlaufen.

Dies ist ein Aspekt, der in Sades Briefen, die ich teilweise gelesen habe, sehr deutlich zum Ausdruck kommt. Darüber hinaus zeichnet sich Sade durch seine Treue aus.

Nicht von ungefähr ist er bis an sein Lebensende Marie-Constance Quesnet verbunden geblieben. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß er noch mit 73 Jahren, also kurz vor seinem Tod, eine Affäre mit einer Fünfzehnjährigen hatte - auch Marie-Constance hatte ihrerseits ihre Liebesabenteuer.

Entspricht das Ihrer Vorstellung von Treue?

Nein, überhaupt nicht. Doch ich bewundere Paare, die beispielsweise wie Sartre und Simone de Beauvoir leben: Selbst als die Beauvoir ihre Liaison mit dem Amerikaner hatte, blieb sie Sartre gegenüber ganz offen. Sie hielten sich bis an ihr Lebensende die Treue - wie eben Sade und Marie-Constance.

Sade behauptete: "Nur eine Frau zu besitzen ist genauso unrecht wie Sklaven zu halten". Ist das auch Ihre Meinung?

Theoretisch gesehen, ja. Voraussetzung ist aber ein gegenseitiges Einverständnis, so daß der Partner nicht gekränkt werden kann. In der Praxis ist das jedoch überhaupt nicht einfach.

Es ist immer das gleiche: Die Ideen sind die eine Sache, das Leben, das gelebt werden will, ist eine andere. Und oft hat das eine mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Ich zum Beispiel bin durchaus besitzergreifend, glaube ich. Im Grunde genommen aber habe ich keine Ahnung. Es gibt Momente, da bin ich es mehr, in anderen bin ich es weniger.

Waren Sie je Libertin?

Ich bin in der Zeit der sexuellen Revolution groß geworden, doch das war etwas ganz anderes: Die 68er Generation hatte sich vor allem dem Ideal "Peace and Love" verschrieben. "Kommt, wir ziehen alle aufs Land", hieß die Devise.

Man kann aber nicht sagen, daß das etwas mit Libertinage zu tun hatte. Natürlich wehte damals so etwas wie ein Wind der Freiheit, man schrieb Gedichte und sang Lieder, es fehlte jedoch jene Kompromißlosigkeit, mit der die Libertins ihre Lust auszuleben trachteten.

Und sind Sie denn in dem Sinne Libertin gewesen, in dem Sade diesen Begriff versteht, wenn er etwa schreibt: "Alles, was man damit zu verbinden geneigt wäre, das habe ich getan"?

Nein. Gott sei dank nicht. Es gibt noch ein paar Dinge, die ich nicht ausprobiert habe! (lacht) Ich habe vieles getan, aber bei weitem noch nicht alles.

Demnach neigen Sie nicht zu Exzessen?

Doch. Ich finde, man sollte eigentlich alles auf exzessive Weise betreiben. Ich für meinen Teil war exzessiv, wenn ich mich freute oder wenn ich litt, also in meinen Gefühlen. Aber auch bei der Arbeit bin ich exzessiv - ich habe schließlich keine Zeit zu verlieren. Zwar sind bei mir die Augen nicht größer als der Mund, doch ist mein Hunger gewaltig.

Hat sich das nicht ein wenig gelegt, jetzt, wo Sie...

Wo ich älter bin? Falsch geraten! (lacht) Nein, nicht wirklich. Ich verspüre immer noch die gleiche Ungeduld, immer noch den gleichen Drang in meinem Inneren. Zum Beispiel gehe ich immer noch die Treppen im Laufschritt hoch, wenn ich eine Verabredung habe. Noch bin ich jung genug dafür. Nein, meine exzessive Begeisterungsfähigkeit ist mir noch nicht abhanden gekommen.

Im Film unternimmt Sade den Versuch, einem noch sehr jungen Mädchen, das von Isild Le Besco gespielt wird, die Wonnen der Lust schmackhaft zu machen. Er tut dies aus Liebe, in dem Sinne nämlich, daß er sie an das Leben heranführen will. Waren Sie jemals in der glücklichen Lage, einen "Lehrmeister des Unmoralischen" abgeben zu dürfen?

Nein, niemals. Natürlich hatte auch ich Beziehungen, in denen Ähnliches eine Rolle spielte, doch ging es dabei mehr um das "Pygmalion-Syndrom". So wie Sade den Lehrmeister zu spielen, das ist mir jedenfalls noch nicht widerfahren.Wissen Sie, soviel kann man den Mädchen auch gar nicht beibringen. (lacht)

Etwas anderes ist es mit Dingen, die den Bereich des Perversen berühren: Es ist so leicht, Menschen weh zu tun, besonders wenn sie jung sind. Das interessiert mich nicht im Entferntesten. Das Böse hat für mich überhaupt keinen Reiz. Genauso wenig übrigens wie das Gute, wenn es in Form von Moral daherkommt.




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