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Der Weg nach Hause; aka: Zhang Yimou: Heimweg
Zhang Yimou über das chinesische Kino
Die chinesische Gesellschaft wandelt sich derartig rasch, dass
die meisten Leute sich nicht mehr zurechtfinden. Das chinesische
Kino spiegelt diese Entwicklung wieder. Heutzutage wird alles
von der Marktwirtschaft bestimmt und unser Kulturleben entwickelt
sich in die falsche Richtung. Die meisten Filme, die jetzt im
Kino erscheinen, sind wirklich vulgär. Regisseure, die sich
früher für derartige Filme geschämt hätten,
setzen heute stolz ihren Namen davor. Das ist eine bedauerliche
Situation, und ich frage mich, ob die Leute solche Filme wirklich
mögen.
Ich habe meine letzten beiden Filme Keiner weniger - Not
One Less und Heimweg - The Road Home als Reaktion
auf die gegenwärtigen Tendenzen im chinesischen Kino gemacht,
gegen die Logik des Marktes. Ich wollte, dass sie einfach, direkt
und realitätsverbunden sind. Ich glaube, dass sie vom Publikum
angenommen werden, denn sie sprechen den Zuschauer mit echten
Gefühlen und Emotionen an.
Die Budgets für die beiden Filme waren weit geringer als
die, die ich für Produktionenen wie Shanghai Serenade
zur Verfügung hatte. Ich wollte die Gedanken und Träume
einfacher Leute im ausgehenden 20. Jahrhundert darstellen, ein
Jahrhundert, in dem sich China in Folge vieler Umwälzungen
radikal verändert hat. Der Druck des Marktes ist immens.
Wir wollen uns selber treu bleiben, aber wie stellen wir das
an?
In den 80er Jahren haben Filme ihr Publikum wie selbstverständlich
gefunden, jetzt ist es viel schwerer. Aber ich bin stolz, dass
ich diese beiden Filme gemacht habe. Es ist unsere Pflicht, die
besten Traditionen des chinesischen Kinos zu bewahren. Schauen
Sie sich den italienischen Neorealismus oder die französische
Nouvelle Vague an: Die haben etwas Bleibendes geschaffen, das
ist eine schöne Tradition. Das chinesische Kino sollte sich
nicht so sehr von Hollywood beeinflussen lassen.
Mir gefallen die Filme von Abbas Kiarostami sehr, und ich unterhalte
mich mit meinen Freunden oft über das iranische Kino. Ich
sage ihnen: "Schaut mal, wir glauben, wir hätten es
schwer hier in China, aber der Druck des orthodoxen Islam im
Iran ist weit schlimmer als alles, was wir hier aushalten müssen.
Doch trotz des Drucks gelingt es iranischen Regisseuren, grossartige
Filme zu machen!"
Worauf es wirklich ankommt, sind nicht unsere Lebensumstände
oder der historische Moment, sondern die innigsten Vorstellungen
des Regisseurs, was er oder sie ausdrücken will, wie es
ausgedrückt wird, die zugrunde liegenden Prinzipien. In
dieser Hinsicht kann man vom iranischen Kino lernen.
Heimweg spielt in der Gegenwart und unterscheidet sich
stark von Keiner weniger - Not One Less. Der Film steht
einer anderen chinesischen Tradition nahe, der poetischen Erzählung.
Er orientiert sich an einer bestimmten Auffassung von Schönheit,
die sorgfältig in Cinemascope Bildern eingefangen wird.
Die Hälfte der Darsteller im Film sind Laien. Ich hatte
grosse Schwierigkeiten, sie zu finden, wie schon bei den Laiendarstellern
in Keiner weniger - Not One Less. Und die professionellen
Schauspieler im Film sind sehr jung, sie haben nicht viel Berufserfahrung,
das gilt insbesondere für die beiden Hauptdarsteller in
der langen Rückblende, beide sind 20 Jahre alt. Die Handlung
ist sehr simpel, sie entwickelt sich anhand der Figur, die sie
erzählt. Das ist ein Mann, der in der Stadt arbeitet, weit
weg vom Dorf, in dem er geboren wurde. Als sein Vater stirbt,
kehrt er zum Begräbnis nach Hause zurück. Er verbringt
drei Tage mit der Mutter und denkt an die Zeit zurück, als
seine Eltern sich kennenlernten und ineinander verliebten.
Es gibt eine autobiographische Komponente in dieser Handlung,
obwohl ich im Film nicht meine eigene Geschichte erzähle.
Mein eigener Vater starb 1997, als ich an "Turandot"
für das Opernhaus in Florenz arbeitete. Ich war nicht bei
ihm, als er starb. Ich kehrte zu seiner Beisetzung nach Xian
zurück.
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