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Manila


Produktionsnotizen

Manila in Norddeutschland

Szene Frühherbst '98 in Bad Oldesloe. Eine ehemalige Speditionshalle im Industriegebiet von Bad Oldesloe erwacht zu neuem, zweckentfremdeten Leben. In den nächsten drei Monaten verwandelt sich der kleine Ort zum Schauplatz der Dreharbeiten für den neuen Film von Romuald Karmakar: Manila.

Unter der Leitung des Filmarchitekten Rolf Zehetbauer (u.a. Cabaret, Das Boot, Comedian Harmonists) entsteht hier die Kulisse eines Abflugterminals des Manila International Airport - Wartehalle mit Sitzbänken für 200 Passagiere, Gate, Bar, Telefonzellen, Restaurant, Toilettenanlage. Durch die breite, schräge Glasfront schaut die Nase einer Boeing 747 herein, und über dem Vorfeld "erhebt" sich der imposante philippinische Sonnenuntergang.

Insgesamt werden 4.000 qm der Halle genutzt, 18 Meter in die Tiefe reicht allein der Rumpf des Jumbos, und wenn es im Film Nacht wird, orientiert sich das Auge an den perspektivisch angeordneten Positionslichtern auf dem fiktiven Rollfeld im Blauschwarz der tropischen Nacht.

Länger als ein halbes Jahr dauerte die Suche nach einer Studiohalle, um diese überbordende Inszenierung mit 13 Protagonisten und etwa 250 Nebendarstellern und Statisten zu beherbergen. Manila in Bad Oldesloe - das ist die für diesen Film optimierte Version des philippinischen Fernflugterminals.

Kein Klon des tatsächlichen Airports, sondern dessen Essenz: ein Set, das sich in der Anlage, der Atmosphäre und den wesentlichen Details ans Original hält, darüber hinaus aber den Darstellern wie auch der fließenden Kamera Fred Schulers "optimale Möglichkeiten bietet, dem Verlauf unserer speziellen Geschichte effektiv und ohne Kompromisse zu folgen", so Regisseur Karmakar.

Fred Schuler, der bereits mit John Cassavetes (Gloria) und Martin Scorsese (King of Comedy) drehte und auch Romuald Karmakars ersten Spielfilm Der Totmacher fotografiert hat, erklärt: "Jedem, der sich hier aufhält, drängt sich ganz schnell das Gefühl eines 'echten' Orts auf, und das ist für uns alle sehr hilfreich. Darüber hinaus haben wir aber den Vorteil, uns ohne die Einschränkungen eines Originaldrehorts bewegen zu können. 'Unser Flughafen' ist exakt auf die Abgründe hin, die Bodo Kirchhoff und Romuald Karmakar mit ihrem Drehbuch im Auge hatten, gebaut worden und ist außerdem - nicht zu unterschätzen - optimal auf die praktischen Bedürfnisse des Drehens zugeschnitten."

Und obgleich am ersten Drehtag, dem 29. Oktober 1998, noch ein schneidender Wind die letzten Blätter zusammen mit Regen und Schnee durch das Industriegebiet von Bad Oldesloe fegte - im Studio war Manila!

Ein Menschenorchester

Trotz des immensen Aufwands, trotz der räumlichen Weite ist Manila alles andere als ein opulentes Ausstattungsepos oder Actiondrama. Manila ist ein klassischer Ensemblefilm, in dem das Spiel eines, so Karmakar, "Menschenorchesters" im Mittelpunkt steht.

Der Regisseur hat für diese ambitionierte Arbeit den internationalen Star Elizabeth McGovern und viele große Namen der deutschen Film-, Theater- und Fernsehlandschaft wie Jürgen Vogel, Manfred Zapatka, Sky Du Mont, Martin Semmelrogge, Eddi Arent, Herbert Feuerstein, Peter Röhring, Margit Carstensen und Michael Degen; sowie mit Ces Quesada, Chin-Chin Gutierrez und Ana Capri drei Stars des philippinischen Kinos gewinnen können.

Wichtig für Romuald Karmakar war es insbesondere, die auf den Philippinen beheimateten Darsteller zu verpflichten: "Die drei sollten über das, was sie spielen unser Regulativ sein. Sie waren immer aufgefordert, uns auf eventuelle Ungenauigkeiten, Fehlschlüsse oder Flüchtigkeitsfehler hinzuweisen."

Sich verheben an der Fremde

Die Sehnsucht, in der Ferne ein anderer zu sein, und die Last, sich selbst nicht los zu werden, bestimmen die Reiseerlebnisse der Passagiere: "Die Fremde bleibt fremd, und an ihr kann man sich leicht verheben. Plötzlich begreift man etwas über sich selbst", erklärt der Schriftsteller Bodo Kirchhoff ("Infanta"), mit dem Karmakar zusammen das Drehbuch geschrieben hat.

Am Ende, wenn die abgekühlten Gemüter in Frankfurt in die eisige Kälte treten, ist jeder auf seine Art durch die Ausnahmesituation der vergangenen Nacht mehr oder weniger verändert. Eine Geschichte? Nein, viele! Unabhängig voneinander hatten Kirchhoff und Karmakar bereits vor längerer Zeit die Idee, Deutsche im Ausland zu porträtieren.

Eine Woche im März 1996 verbrachten beide in einem Tiroler Hotel, um Personenkonstellationen zu entwickeln und eine erste Fassung des Drehbuchs für Manila zu schreiben. "Die Deutschen sind das reisefreudigste Volk der Welt. Reisen gehören zum Alltag, und doch gibt es kaum eine ernsthafte Bearbeitung dieses Sujets im Kino", erklären Karmakar und Kirchhoff. Manila widmet sich dem Thema mit einer unerbittlichen Radikalität.

Warum Manila? Kirchhoff, der zwischen 1986 und 1989 während der Arbeit an seinem Roman Infanta auf den Philippinen lebte, kennt das faszinierende Spektrum möglicher, schillernder Geschichten, das das Land bietet. "Es geht nicht nur, wie es in Bangkok der Fall wäre, um Sex und Tourismus", erläutert Kirchhoff. "Darum geht es in Manila auch, aber last but not least ist das hier ein Terrain, wo man dieses faszinierende Amalgam aus Dritter Welt, überresten des Kolonialismus, Katholizismus und dem American Way of Life studieren kann."

Alles den Schauspielern

Romuald Karmakar ist bekannt für seine akribische Arbeitsweise. Zehn- bis vierzigmal lässt er eine Szene wiederholen, bis sie leicht und mühelos und selbstverständlich wirkt. "Alles den Schauspielern!" - so Karmakars Devise. "Wenn sie eine Szene für sich selbst nicht annehmen, dann ist alles andere für die Katz. Dann können wir uns noch so sehr abstrampeln mit einem tollen Szenenbild oder einer virtuosen Lichtgestaltung und wahnsinnigen Kamerafahrten, dann springt nichts über."

Diese Arbeitsweise, die tastende Erarbeitung eines stimmigen Ablaufs und immer wieder erfolgende Korrekturen, wird vom Ensemble eher als freundlich stimmende Hochachtung vor der schauspielerischen Leistung empfunden denn als Last und sichtlich genossen. Gern lassen sich die Darsteller auf den Rhythmus der langen, äußerste Konzentration verlangenden Plansequenzen ein.

Und wenn einige Komparsen nach zehnstündigem Einsatz frotzeln, dass solche Reisenden ja gar nicht wüssten, was das heißt zu warten, dann ist das eher Ausdruck einer über Tage und Wochen gewachsenen Vertrautheit miteinander, als dass daraus genervte Ungeduld spräche.

Eine Kältewand

Nach der Hälfte der Drehzeit, die insgesamt bis Weihnachten 1998 dauerte, bricht das gesamte Team nach Frankfurt auf, um auf dem Rhein-Main-Flughafen die Schlusssequenz - die Ankunft der 250 Passagiere - zu drehen. "Bilder," so Kameramann Fred Schuler, "in denen Akteure wie Zuschauer gleichermaßen mit einer Kältewand konfrontiert werden."

In Bad Oldesloe wird unterdessen die Abflughalle zum Restaurant umgebaut, das sich über der Abflughalle befinden soll.

Erzählmodule

Das Restaurant ist ein szenenbildnerisches und erzählerisches Modul, das die Brücke schlägt zwischen den Massenszenen in der Abflughalle und den vertraulichen Momenten an der Bar. Es gehört zum Gesamtkonzept des Films, dass sich auf jeder dieser einzelnen "Bühnen" die Personen unterschiedlich selbst inszenieren.

Auch an Stil, Tempo und Intensität der Bilder manifestiert sich die Veränderung. Zum zentralen Schauplatz von Manila gehört auch der Toilettenbereich - der Ort der Erleichterung im doppelten Sinne, an dem man unvorhergesehen den letzten Wahrheiten begegnet ...

Zu explizit oder nicht drastisch genug?

Das Gesamtbudget von Manila beläuft sich auf acht Millionen Mark. Die Produzenten dieses "Menschenorchesters" mit 250 Komparsen und 13 Hauptdarstellern sind Pantera Film, Cobra Film und Senator Film.

Die deutschen Förderungsinstitutionen reagierten zurückhaltend bis ablehnend auf das Drehbuch. Die Filmförderungsanstalt (FFA) kritisierte die allzu deutliche Sexualität und Vulgärsprache, der Filmstiftung NRW dagegen war das Drehbuch nicht drastisch genug. Auch der FFF Bayern und die Filmförderung Berlin-Brandenburg lehnten die Förderung ab - allein bei der Hamburger Filmförderung stieß MANILA auf positive Resonanz.

Im Januar 2000 erhielten Bodo Kirchhoff und Romuald Karmakar den Bayerischen Filmpreis für das Beste Drehbuch.




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