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Hamlet


Shakespeare in New York

Szene [600] [1024] Für seine moderne Verfilmung von Shakespeares Hamlet nennt Regisseur Michael Almereyda (Nadja) Orson Welles als wesentliche Inspiration. "Welles, der Macbeth in 21 Tagen drehte, beschrieb seinen Film als grobe Kohlezeichnung des Stückes. Ich wollte Shakespeare in diesem Geist, mit derselben Rohheit und Energie verfilmen. Ich schlich um einige Möglichkeiten herum - etwa, eines der unbekannteren Stücke zu wählen - und wehrte mich strikt gegen Hamlet. Denn das Stück ist zu bekannt, zu unverkennbar, und es wurde bereits 43 Mal verfilmt. T.S. Eliot verglich es mit der Mona Lisa, die so populär ist, dass man sie kaum mehr sehen mag."

Doch sowohl das Stück als auch die Figur Hamlet schienen Almereyda zu verfolgen. "Immer wieder tauchten Bezüge und Bilder aus dem Nichts auf," sagt er. "Ich ging an Oberschülern vorbei, die Hamlet auf der Straße rezitierten. Ich erinnerte mich an meine ersten Eindrücke von dem Stück, an den Einfluss und die Bedeutung, die es für mich hatte, und fragte mich, warum bloß alle Hamlets im Film von älteren Schauspielern dargestellt wurden. Die Rolle birgt eine große Herausforderung, aber ich war überzeugt, dass auch ein jüngerer Mensch mit ihr fertig würde und beim Publikum ankäme."

Szene [600] [1024] Almereyda nahm Kontakt zu seinem langjährigen Freund Ethan Hawke (Before Sunrise, Schnee, der auf Zedern fällt) auf. "Michael schrieb mir in einem Brief, dass er schon lange einen Film mit viel Gehalt hatte machen wollte, und so kam er auf die Idee einer modernen Version des Hamlet", erinnert sich Hawke. "Ich hatte genau daran auch schon gedacht und war schnell einverstanden, mit ihm an diesem Projekt zu arbeiten."

"Wir hielten uns an unsere ursprüngliche Absicht, den Film mit kleinem Etat, auf 16mm, schnell und billig in New York zu drehen," sagt Almereyda. "Jedes gesprochene Wort sollte von Shakespeare geschrieben sein, jedoch angesiedelt in - und angetrieben durch - einem zeitgenössischen Kontext. Wir wussten, dass dies nicht der definitive Hamlet sein würde - es würde einfach unser 'Hamlet' sein. Eine Collage, ein Zusammenstoss von Gefühlen und Ideen."

Szene [Foto: Steve Zahn (links) und Dechen Thurman (right)]

"Das Interessante daran, den Stoff als Film zu präsentieren, ist die Möglichkeit, damit die Dichtkunst zugänglicher zu machen", sagt Hawke. "Viele Leute sind entweder Shakespeare-Fans, die den Text extrem gut kennen, oder sie gehören zu denen, die in der Schule über Shakespeare diskutieren mussten, ihn aber nicht wirklich mögen. Und ich war überzeugt, dass man im Kino die Möglichkeit hat, Shakespeare so zu präsentieren, dass er ein modernes Publikum neugierig macht."

"Shakespeare wurde schon oft genug mit einem zeitgenössischen Touch verfilmt", sagt Almereyda. "Der Schlüssel zu unserem Verfahren lag darin, das Gleichgewicht zwischen Respekt vor dem Stück und Respekt vor der zeitgenössischen Wirklichkeit zu halten - zu sehen, wie vollendet Shakespeare die Gegenwart anspricht, wie beides miteinander kommunizieren kann."

"Zum Beispiel machte Shakespeare Hamlet zum Gefangenen seines hyperaktiven Geistes, im Bann der ,Worte, Worte, Worte'. Doch heutzutage halten die Bilder Schritt mit den Worten und erzeugen eine Art überwältigender Realität. Also machten wir aus Hamlet einen angehenden Filmemacher, jemanden, der versucht, Ordnung in die Flut der Bilder zu bringen, die ihn zu verschlingen droht. Es gibt kaum eine Szene ohne eine Kamera, eine Fotografie, einen Fernseher oder irgendeine Art elektronischem Aufnahmegerät. Bilder innerhalb der Bilder. Eine Bildsprache zu finden, die Shakespeares Poesie das Wasser reichen kann, das war unsere Herausforderung."

Warum wurde aus Dänemark in dem Film ein Multimedia-Unternehmen? "In gewisser Weise ist das eine naheliegende Analogie", gibt Almereyda zu. "Die Macht internationaler Unternehmen scheint mindestens so verräterisch und total zu sein wie irgendetwas, was in einem gutgeschmierten, feudalen Reich läuft. Aber der Aspekt des Medienunternehmens sollte tiefer gehen als das, und er steht in Beziehung zu Aussehen und Umfeld des Films."

Hamlet sagt schließlich ,Dänemark ist ein Gefängnis'. Wenn man dies unter dem Aspekt von Medien und Verbraucherkultur betrachtet, werden die Gitter des Gefängnisses durch Werbung, durch all die Markennamen, Logos und Reklametafeln definiert, durch die verführerischen Farben und Geräusche, die unsere wachen Stunden bevölkern. In dieser Atmosphäre ist es fast unmöglich, Beweise für Erfahrungen und Beziehungen zu finden, die man als wirklich privat oder rein ansehen kann."

"Wenn also der Geist von Hamlet Vater in einem Getränkeautomaten verschwindet, oder wenn Hamlet sich in den Gängen einer Blockbuster-Videothek Gedanken über den Sinn des Lebens macht, oder wenn Shakespeares Verse vom Lärm eines Flugzeugs oder den prahlerischen Ansagen von Mr. Moviefone unterbrochen werden, dann ist das nicht nur als beiläufige Ironie gemeint. Es ist eine andere Möglichkeit, an den Kern von Hamlets Qualen zu rühren, die Zerbrechlichkeit geistiger Werte in einer materiellen Welt zu erkennen und hier und jetzt einen Hauch von 'etwas Faulem' in Dänemark zu spüren."

"In diesem Zusammenhang", fährt Almereyda fort, "passte es, aus Hamlet einen angehenden Filmemacher zu machen. Hawke fügt hinzu: "Das Stück ist sehr paranoid. Jeder hat die anderen im Visier. Das finde ich ziemlich modern. Offensichtlich gibt es einige Dinge, die sich niemals ändern, auch wenn sich unsere Umgebung völlig gewandelt hat."

Almereyda und Hawke nahmen intensive Vorbereitungen in Angriff. "Ich erinnere mich daran, dass Ethan sagte, ,wir müssen nicht nach Yale gehen, um dies zu machen'" so Almereyda. "Aber ich ging in jede Filmbibliothek und in jedes Filmmuseum in New York, wo ich mir jeden Hamlet anschaute, den sie im Bestand hatten, auf Video aufgenommene Theaterstücke, sogar Stummfilme. Ich las ein paar Bücher und hörte genau gesagt nie auf mit dem Lesen des Stückes, das den besten Rat für jeden Regisseur enthält: 'Lasst die Aktion zu den Worten, und die Worte zur Aktion passen' (3. Akt, 3. Szene). Das ist so einfach und klug, dass man fast wie vor den Kopf geschlagen ist."




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