Unterstützen Sie Kinoweb. Klicken Sie unseren Sponsor.
Fantasia 2000
James Levine: Maestro eines neuen Jahrtausends
Die Wahl eines Maestros (James Levine, links)
für die musikalischen Elemente
von Fantasia 2000 erforderte äußerste Behutsamkeit.
Denn es bedurfte eines Stilisten, der den Film ebenso prägen
würde, wie dies Leopold Stokowski mit seinen Einspielungen
in den späten 30er Jahren gelungen war.
Auch Studio-Präsident Peter Schneider war sich der besonderen
Zusammenarbeit zwischen Walt Disney und Leopold Stokowski und
der unmittelbaren Bedeutung für Fantasia bewusst.
Es musste also auch diesmal ein Künstler vergleichbaren
Kalibers gefunden werden, der die nötige Kooperationsbereitschaft
und Flexibilität für die Bearbeitung von klassischer
Musik für ein Filmwerk würde aufbringen können.
Schneider: "Es gibt in Amerika nur einen Mann, der dieser
Aufgabe gewachsen ist: James Levine. Seine Arbeiten für
Oper und sinfonische Musik belegen, dass Levine ein Visionär
ist, mit großer Bandbreite und Leidenschaft im Schaffen.
Er erfüllte damit alle unsere Voraussetzungen."
Im November 1992 flogen Roy Disney, Thomas Schumacher und Hendel
Butoy zu einem Treffen mit James Levine nach Wien, im Gepäck
Storyboards und erste filmische Entwürfe für die jeweiligen
Sequenzen. Roy Disney erinnert sich noch genau der einen Frage,
die ihm unter den Nägeln brannte: "Was halten Sie von
einer dreiminütigen Fassung von Beethovens Fünfter
Symphonie?"
Disney: "Ich konnte mir gut vorstellen, wie einige Leute
daraufhin die Nase rümpfen und uns die Tür weisen würden.
Aber James ist ein liebenswürdiger Mensch. Er hielt kurz
inne und sagte dann, wenn es die richtigen drei Minuten sind,
dann wird das kein Problem sein. Wichtig ist eben nur, dass die
kurze Version das gleiche erreicht wie die lange Version. Und
da wusste ich, dass wir unseren Dirigenten gefunden hatten."
Hendel Butoy war beeindruckt von James Levines schneller Auffassungsgabe:
"Wir mussten uns gar nicht erst mit Erklärungen über
die Herstellung von Zeichentrickfilmen aufhalten. Ihm reichten
ein Blick auf die Entwürfe und eine kurze Beschreibung des
Konzepts. Er war auch ganz offen für die Nöte und Bedürfnisse
der Zeichner und Filmemacher. Aber irgendwie ist er ja schon
immer ein sehr begeisterungsfähiger Mensch gewesen. Und
es war ganz sicher ein Höhepunkt in der Arbeit an diesem
Film, dass ich bei den Musikaufnahmen dabei sein durfte."
Für James Levine war es: "ein einziges Vergnügen,
dem Zeichner oder Regisseur beim Vortrag der erzählerischen
Konzeption zu lauschen. Es ist ja so, dass mich eine Musikaufnahme
jedes Mal bis ins Innerste gefangen nimmt. Aber diese Arbeit
war nun wirklich etwas ganz anderes als die Zusammenstellung
von kompositorischen Elementen, mit der ich ansonsten regelmäßig
zu tun habe.
Die wohl faszinierendste Eigenschaft von Fantasia scheint
mir, dass wir es mit Zeichnern und Trickkünstlern zu tun
haben, die sich von einem Musikstück haben inspirieren lassen.
Ihre Vision ist natürlich nur ein Weg, wie man Musik bildlich
ausgestalten kann, aber sie stimuliert die Vorstellungskraft
eines jeden einzelnen Zuschauers. Die Animation umfasst denn
auch ein enormes Spektrum; die ganz konkrete Geschichte, wie
sie in "Der standhafte Zinnsoldat" erzählt wird,
ist etwas völlig anderes als die Annäherung an den
ersten Satz von Beethovens Fünfter.
Den Möglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt. Das ist die
Botschaft. Und wenn das Publikum bereit ist, sich darauf einzulassen,
dann sollte daraus ein ungeheures Vergnügen werden. Mir
wird ganz schwindlig, wenn ich nur an die Hunderte von Musikstücke
denke, die man noch verfilmen kann. Der Anreiz, der sich für
jeden Einzelnen ergibt, wenn er mit voller Hingabe und mit aller
Vorstellungskraft einer Musik lauscht, das ist es, worum es in
diesem Film geht."
James Levine vergleicht die bildliche Umsetzung von Musik mit
den Ballett-Choreografien eines George Ballanchine: "Das
war ein gewaltiger Durchbruch, weil hier Musik choreografiert
wurde, die eigentlich gar nicht für Tanz komponiert worden
war. Heutzutage gibt es eine Menge Stücke, die man sich
ohne tänzerische Eindrücke gar nicht mehr vorstellen
kann.
Ganz ähnlich ist es mit Gedichten, die im Nachhinein musikalisch
vertont wurden. Wenn die Synthese gelang, sind Gedicht und Musik
nicht mehr voneinander zu trennen. Auch Fantasia darf
in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben. Die Zeichentrick-Künstler
hatten eine freie, assoziative Vorstellungskraft im Blick auf
die Musik, und ich denke, dass wir das auf sehr ungewöhnliche
Weise mit den neuen Arbeiten für Fantasia 2000
fortgeführt haben."
Die Einspielungen mit dem Chicago Symphony Orchestra wurden
im Medinah Temple in Chicago aufgezeichnet, der dafür als
besonderst gut geeignet gilt. Levine: "Das ist ein Ort,
der für Tonaufnahmen wie geschaffen ist. Das Mikrophon interagiert
mit dem Raum in der gleichen Weise wie das menschliche Ohr in
einem Konzertsaal. Ich habe auf Grund dieser Tontreue schon viele
Aufnahmen im Medinah Temple gemacht."
Die Zusammensetzung des Orchesters umspannte mehrere Generationen
von Musikern, die alle mit Fantasia aufgewachsen waren
und sich mit der gleichen Hingabe wie ihr Dirigent den Aufnahmen
für eine Weiterführung widmeten.
Die Zusammenarbeit mit Roy Disney beschreibt James Levine als
sensationell. ''Da war so viel Wärme und Begeisterung für
das Projekt, auf das er so lange hatte warten müssen. Es
gab niemals auch nur den geringsten Zweifel, wie sehr er an diesen
Film glaubte. Mit so einem Menschen macht die gemeinsame Arbeit
Spaß."
Und zum Abschluss: "Ich sah Fantasia als Kind
und der Film hat einen ungeheuren Eindruck hinterlassen. Ich
liebte die Musik und war ein großer Fan von Leopold Stokowski.
Und jetzt bin ich ganz gerührt, dass ich bei Fantasia
2000 dabei sein durfte, weil ich überzeugt bin, dass
eine ganz neue Generation von Zuschauern die Musik so intensiv
erleben wird wie ich damals beim Original."
|